Endlich hat die Warterei ein Ende. Heute geht es los. Wir fliegen nach Schottland. Alle Vorbereitungen sind erledigt und wir fahren zusammen mit Ines und Steffen zum Flughafen Berlin Schönefeld. Mit dem Auto braucht man dafür von uns aus etwa 1,5 Stunden. Genügend Zeit, um etwas runter zu kommen. Denn vor so einer Reise entsteht halt doch etwas Hektik, obwohl wir ja nun schon einige Erfahrungen haben mit derartigen Unternehmungen. Letztendlich leben wir genau wie auf einem Pilgerweg über Tage aus dem Rucksack und müssen/wollen die Strecken zwischen den Etappenzielen zu Fuß zurück legen. Sicher ist der West Highland Way ein touristischer Weg aber ein so großer Unterschied zu den spanischen Pilgerwegen ist das auch nicht mehr, seit dem das Pilgern als Event vermarktet wird. Letztendlich kommt es einzig und allein auf die innere Einstellung an, mit der man einen solchen Weg erleben will. Das haben wir während der vielen Hundert Kilometer auf den verschiedenen Pilgerwegen gelernt. Daraus beziehen wir auch unsere Erfahrungen in Bezug auf die Vorbereitung und die Ausrüstung.
Unsere Begleiter Ines und Steffen besitzen diese Erfahrungen noch nicht. Sie gehen zum ersten Mal wandern. Und so waren wir zusammen bei Decathlon einkaufen und mussten ihnen im Anschluss so einiges ausreden, von dem was sie glaubten auf dem Weg zu brauchen.
Und so kann ich auch gerade so verstehen, was eine ältere Frau von uns will, als sie uns unvermittelt mit den Worten “can I help you?”anspricht. Sie hat wohl beobachtet, dass wir etwas unschlüssig und orientierungslos auf dem Gehsteig stehen, nachdem uns der Bus ausgespuckt hat. Ich habe keine Ahnung, ob wir hier richtig sind. Irgendwas von Central- oder Queen Street Station hatte ich mir gemerkt. Nun tauchen hier aber ganz andere Namen im Tableau des Busses auf. Hier sieht es aus wie im Zentrum – also schnell raus! Ja, und so stehen wir hier und schauen uns um. Noch ehe wir das nette Angebot der Dame annehmen müssen (wir hätten sicher eh nur einen Bruchteil verstanden) entdecke ich ein Schild mit dem gesuchten Namen: Queen Street Station – Glück gehabt! Von hier wollen wir mit dem Zug nach Milngavie, einem kleinen Vorort von Glasgow fahren. Hier ist unsere erste Unterkunft gebucht und hier beginnt der West Highland Way. Und hier auch gleich eine weitere Hürde. Denn wenn man nach Milngavie fragt, wird man hier nur kopfschüttelnd angeschaut. Auch das noch! Viele Namen werden völlig anders ausgesprochen. Da wirkt das Gälische, die alte Sprache der Schotten nach. Auch wenn Englisch in Schottland Amtssprache ist und Gälisch nur noch sehr selten gesprochen wird, besitzen hier die Ortseingangs- und Hinweisschilder oft einen englischen und einen gälischen Namen. Milngavie, so haben wir bereits zu Hause erfahren, wird so ähnlich wie “Mullgai” ausgesprochen. Na mal sehen, was uns da noch so erwartet bei diesen unaussprechlichen Zungenbrecherortsnamen, die unterwegs auf uns warten.
Wir haben noch jede Menge Zeit, ohne wirklich zu wissen, wann der nächste Zug nach Milngavie fährt. Und so nutzen wir die Gelegenheit, uns etwas in der näheren Umgebung um zusehen. Der Verkehr ist der Wahnsinn! Jede Menge von diesen typischen alten Taxis und viele Busse rauschen durchweg auf der falschen Seite an uns vorüber. Das macht einen als Rechtsfahrer und – Läufer erst mal ganz meschugge im Kopf. Die Überquerung einer Straße wird zum Abenteuer, weil man ständig in die falsche Richtung schaut. Ständig stehen Leute vor einem, denen man nach rechts ausweichen wollte. Interessanterweise entschuldigen die sich für den Rempler, obwohl ich es ja war, der gerempelt hat. Irre, wir höflich die hier sind.
Wir können beruhigt sitzen bleiben. Denn Milngavie ist Endstation. Und so verlassen wir wenige Sationen später mit allen anderen den Zug. Schon vor dem Bahnhofsgebäude entdecken wir ein Schild “West Highland Way”. Wir jedoch müssen heute erst mal zum Premier Inn, unserem ersten Hotel in Schottland. Ich bemühe das Smartphone mit seiner GPS App und schnell ist die Richtung gefunden. Bereits zu Hause habe ich die App AlpineQuest gekauft und die für Schottland notwendigen Karten und den GPS -Track des WHW aus dem Internet heruntergeladen. So ist es überflüssig, für Schottland einen Datentarif für´s Handy zu kaufen oder teure Roaming Gebühren zu zahlen. Die App kann ich uneingeschränkt empfehlen. Diese gibt es im Play Store (Android) für ganze 6 Euro.
Das Premier Inn ist ein 2,5 stöckiges langgestrecktes weißes Haus, welches anscheinend gut gebucht wird. Denn der Parkplatz davor ist recht gut gefüllt. An der Rezeption schwadroniert die Hausdame heiter drauf los, so dass ich umgehend meine zwei Standardsätze anbringe. Sie bemüht sich nun zumindest etwas deutlicher und langsamer zu sprechen. Schnell haben wir unsere Schlüssel und betreten unser Zimmer – recht nett – ein typisches Vorstadthotel, welches auch in Deutschland stehen könnte – für eine Nacht völlig ausreichend. Nach einer Tasse Kaffee, die wir mit dem im Zimmer vorhandenen Wasserkocher brühen (Ich bin zum ersten Mal froh darüber, dass ich den kleinen Reisetauchsieder, den Andrea gern mitgenommen hätte, zu Hause vergessen habe.), gehen wir noch mal ins Zentrum der kleinen Stadt. Gleich neben dem Bahnhof befindet sich ein großer Tesco Markt, in dem wir einiges an Proviant für die erste Etappe kaufen – etwas Käse, Wurst ist schwierig, da wenig Auswahl, Brot und Butter. Natürlich wandern auch ein paar Büchsen Bier in den Rucksack. Große Erwartungen haben wir nicht daran. Der “gute Ruf” des britischen Bieres ist auch bis zu uns nach Sachsen durchgedrungen. Aber gegen den Durst wird es schon gehen.
Anschließend gehen wir noch schnell zum Obelisken, der am Anfang des Weges, mitten in der Fußgängerzone steht. Im Park setzen wir uns auf eine der Bänke und machen uns strafbar. Denn, was wir da noch nicht wissen, in Schottland ist der Genuss von Alkohol auf offener Straße mit hohen Straßen belegt – auweia! Das erklärt auch die Blicke der Passanten, die unsere fröhliche Truppe da sitzen sehen, mit der Bierbüchse in der Hand. Das hätte teuer werden können. Am Abend besuchen wir gleich neben dem Hotel ein Restaurant. Hier soll es morgen das Frühstück geben. In Schottland sind die meisten Gasthäuser geteilt. Eine Hälfte ist der Pub (die Bar) und die andere das Restaurant.
Während im Pup nur kleine Speisen angeboten werden und das Hauptaugenmerk auf dem Bier liegt, kann man im Restaurant besser essen. – bei entsprechendem Preisunterschied natürlich. Schottland ist nicht billig und auch nicht preiswert. Das betrifft besonders das Essen. Für das, was da serviert wird, muss man ganz schön tief in die Tasche greifen und ein Pint (0,5 Liter Bier ohne Schaum) bekommt man nicht unter 5 Euro. Doch wir haben Urlaub und so wollen wir nicht weiter darüber nachdenken. Heute wählen wir was aus, was wir glauben zu kennen. Aber irgendwann auf dem Weg gibt´s Haggis…..versprochen!