Heute nun die letzte Etappe, denn wir haben uns nach Jörgs Mitteilung, dass er wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustandes voraussichtlich nicht mit nach Muxia gehen wird entschlossen, ebenfalls in Finisterre zu bleiben. Wir haben zwar nur zwei Nächte in der Pension gebucht, aber da lässt sich vielleicht was machen. Wir haben uns nun mal geeinigt, dass wir zusammen bleiben. Und ehrlich gesagt, bin ich auch nicht unglücklich darüber. Irgendwie reicht es dann auch. Es war ein langer Weg bis hier hin.
Ganz in Ruhe, in der Gewissheit, dass es erstens nicht mehr weit ist und zweitens, dass wir eine sichere Unterkunft haben, gehen wir am Morgen noch einmal durch Corcubion, wo wir auch gleich eine Bar finden, in der wir frühstücken können.
Ganz unten das Video zur Etappe !
Der Weg aus Corcubion führt recht steil durch eine feuchte, schmale Schlippe hinauf bis nach Amarela. Entlang der Straße, teilweise auf ihr, teilweise daneben durch den Wald geht es wieder hinab bis auf Meereshöhe, die bei Estorde erreicht wird. Hier finden wir einen schmalen Zugang zum Strand, den wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Von richtigem Strandwetter sind wir allerdings meilenweit entfernt. Aber es ist ja auch schon Ende September, wir sind in Galicien und es ist der Antlantik, da kann man kein Mittelmeerklima erwarten und auch nicht die entsprechenden Wassertemperaturen. Also lassen wir das lieber mit dem Bad im Meer. Ich weiß, wir sind Weicheier.
Im anschließenden Sardineiro fällt mir besonders das blaue Haus eines offensichtlichen Camino- Fans auf. Es strotzt nur so von Motiven, die mit dem Jakobsweg zusammenhängen. Blaue Kacheln mit Jakobus- und Pilgerdarstellungen an der Fassade und eine Jakobusstatue zieren das Grundstück. Hinter der nächsten Anhöhe liegt dann endlich der lange Strand Playa de Langosteira vor uns. Irgendwie scheint es so, als ob jeder für sich in Gedanken versunken diesen letzten Abschnitt seines und unseres Weges läuft. Es wird kaum gesprochen und sicher denken wir alle nochmal darüber nach, was wir in den vergangenen vergangenen Wochen erlebt haben.
Nun steht das Ende des Weges unmittelbar bevor und aus der gemäßigten Geschwindigkeit, in der wir uns fortbewegen, könnte man schließen, dass keiner von uns so schnell ankommen will. Der Höhepunkt steht uns jedoch noch bevor. Wir hatten uns ja mit Philine, Hartmut und Franz 19 Uhr am Cap zum Sonnenuntergang verabredet. Doch ein Blick zum Himmel verrät mir, dass das wohl nichts werden wird mit dem Sonnenuntergang, falls nicht noch ein Wunder geschieht. Na mal sehen! In Finisterre angekommen, suchen wir sofort die angegebene Adresse, bei der es den Schlüssel zum Apartment geben soll. Etwas ratlos sind wir dann, als wir trotz Navi die angegebene Adresse nicht finden können. Eine nette Mitarbeiterin der privaten Herberge am Weg zum Hafen hilft uns dann beim Telefonieren.
Doch sie bekommt auch keinen Anschluss. Selbst Anwohner haben keine Ahnung, wo diese Adresse in Finisterre ist. Nun gut, wir haben noch bis 16.30 Uhr Zeit, dann soll das Büro besetzt sein und damit auch sicher das Telefon. Also suchen wir, auch weil es gerade wieder heftig regnet eine Bar auf, um etwas zu essen. Für Andrea gibt es El Salada Mixa, für Jörg und mich eine riesige Tortilla und für Jana Champignons in Knoblauchsoße, wovon wir alle noch sehr lange was haben sollten. Mann was für eine Knoblauchfahne! Dann gehen wir noch einmal zu der netten Dame in der Herberge, die uns auch vor einer Stunde schon geholfen hat. Ich sehe ihr beim Telefonieren zu und als sich ihre Mine erhellt, weiß ich, wir haben eine Unterkunft. Kurze Zeit später kommt der Vermieter mit seinem Auto und fährt uns zur Apartmentanlage. Er kann etwas Englisch und erklärt uns, dass er uns ein Upgrade anbietet, da es September und eh alles leer ist. Er bringt uns in der ersten Reihe direkt am Strand in einer höherwertigen Anlage unter, natürlich ohne Mehrkosten. Wir finden das sehr nett und nehmen dankend an. Als wir die Wohnung sehen, ist unser Entschluss gefasst, dass wir hier noch einen Tag hinzu buchen. Kein Problem meint der Vermieter und kassiert die 15€, die pro Tag fällig sind ein. In Anbetracht des Preises in manchen Herbergen, erscheint uns das hier zu Recht als Schnäppchen. Manuel (der Vermieter) bietet uns auch noch an, dass er unsere Einkäufe zum Apartment fährt, wenn wir sie in seinem Büro abliefern. Wir finden das alles sehr nett und verabschieden uns nach einer kurzen Einweisung. Ein Blick vom Balkon und wir sehen auch noch einen überdachten Pool im Garten. Dann wird das ja doch noch was mit dem Bad am Meer! Jörg und ich stürzen uns also in das glasklare Wasser des Pools. Das Wasser ist zwar auch nicht viel wärmer als das des Atlantiks aber so was muss man ausnutzen.
Der anschließende Bummel durch den Ort und zum Hafen ist verbunden mit den notwendigen Einkäufen, die wir dann wir angeboten beim Vermieter im Büro abliefern. Der fährt mich und die Einkäufe daraufhin auch sofort zur Unterkunft. Das Gespräch zwischen uns verläuft etwas holperig. Wir beide ferfügen offenbar über ähnlich mangelhafte Englischkenntnisse.
In der kommunalen Herberge bekommt man die Pilgerurkunde von Finisterre. Überrascht sind wir vom Dialekt des Hospitalero. Er kommt aus Dresden und bittet uns im Heimatdialekt in einer Stunde noch einmal vorbei zu kommen, da derzeit der Teufel los ist. Na klar machen wir das, sage ich und schon verschwinden wir wieder aus der Tür in Richtung Hafen. Als er dann später unsere Urkunden schreibt, taucht plötzlich Philine auf, die hier schon ihr Bett hat. Ich wundere mich nicht mehr über solche Zufälle.
Zusammen gehen wir daraufhin zum Cap. Das Wetter scheint immer besser zu werden und es sind auch schon ein paar blaue Flecken am Himmel zu sehen, ein Anblick, den wir in den letzten Tagen selten genug hatten. Sollte es doch noch klappen mit dem Sonnenuntergang? Auf dem Weg zum Cap, gibt es immer wieder schöne Aussichten auf die Bucht. Sogar ein Regenbogen ziert den Himmel.
Es herrscht rege Begängnis und auch diverse Busse, Autos und Camper kreuzen unseren Weg. Na da wird ein ganz schönes Gedränge herrschen auf dem engen Felsen, ist mein erster Gedanke. Angekommen am Cap stelle ich jedoch fest, dass es gar nicht so schlimm ist. Eine angenehm lockere Betriebsamkeit, so könnte man es am Besten beschreiben. Mir fallen sofort die schwarze Rauchfahnen auf. An einer Stelle, an der die Pilger irgendwas ihrer Ausrüstung verbrennen, herrscht ein bestialischer Gestank nach verbrannter Plaste. An diesem zweifelhaften Ritual haben wir uns dann leider auch beteiligt, in dem Jörg seinen Hut und Andrea ihre heiß geliebten Socken verbrennen. Schnell finden wir Hartmut und Franz. Sie haben einen schönen Platz hinter einem Felsvorsprung heraus gesucht. Wir klettern dorthin und ich bemerke zu meiner großen Freude, dass es heute doch was wird mit dem Sonnenuntergang. Und was das für einer ist! Beschreiben kann man das eigentlich nicht.
Da müssen Bilder sprechen. Alle sitzen wir mit unserem Wein oder Bier in der Runde, sehen zum Horizont und sehen sehr ergriffen aus. Dieser Augenblick gehört jedem selbst und so hat jeder auch seine eigenen Gedanken. Andrea bringt einen Toast aus auf Inge aus, einer Bekannten vom Camino Frances, die im vorigen Jahr kurz vor diesem magischen Ort aufgeben musste und immer noch an den gesundheitlichen Folgen zu leiden hat. Sie wünscht ihr, dass sie sich das hier ebenfalls noch ansehen kann. Zum Schluss trinken wir auf
“Salud, Dinero y Amor!”.
Und damit möchte ich meinen Reisebericht schließen. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Und das ist es in diesem Augenblick. In den zwei abschließenden Tagen nutzen wir noch das bessere Wetter zu einem Strandbesuch auf der Nordseite des Caps und wir hatten noch ein sehr schönes Abendessen in unserer Unterkunft zusammen mit Philine, die eine Nacht bei uns übernachtete, bevor sie nach Muxia weiter ging. Am 28.9. fuhr unser Bus entlang der Küste zurück nach Santiago, wo wir noch ein paar Andenken gekauft und zu Mittag gegessen haben. Dann nur noch der Bus zum Flughafen und der Flug über Mallorca nach Leipzig, wo unser Sohn, Janas neuer Freund und Jörgs Familie auf uns wartete. Und schon war der Camino Primitivo 2012 Geschichte.
Es waren unvergessliche Tage auf fantastischen Wegen in unbeschreiblicher Umgebung. Es waren Begegnungen mit tollen Menschen und interessante Gespräche mit ihnen. Das alles wog schwerer als die schmerzenden Füße und Rücken, als der Schweiß, der in Strömen floss, sobald es bergauf ging, als die fehlende Luft in den stickigen Herbergen, als das besch…eidene Wetter hinter Santiago.
Ein guter Freund vom Camino Frances schrieb mir mal, dass sein Immunsystem versagt hat, als er meine Fotos vom Primitivo im Netz gesehen hat, dass der Camino – Virus wieder zugeschlagen hat und dass er nur noch seine Frau überzeugen muss, dass er wieder los will. Na ein Glück, dass meine Frau unter dem gleichen Virus leidet und es nur noch um das „wo lang“ und „wann“ geht. Und da ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann hier der nächste Reisebericht steht.
Buen Camino, Gert!
Hier das Video zur Etappe (aus lizenzlrechtlichen Gründen leider ohne Hintergrundmusik):
Danke für den schönen Blog!
Ich habe Deinen Primitivo in einem Zug durchgelesen und wünsche Dir und Deiner Frau alles Gute!
Traugott aus Münster
Hallo Traugott, danke fürs Vorbeischauen und den schönen Kommentar.
Bei Gelegenheit werde ich auch auf deinem Blog mal näher rein schauen.
Viele Grüße, Gert.