Camino Finisterre 19. Tag 24.9.2012 Olveiroa – Cee

Der erste Blick an diesem Morgen gilt dem Himmel. Es sieht zwar auch nicht viel besser aus als Gestern aber der Wind hat sich wenigstens etwas gelegt.

2242 Camino Primitivo

Gespannt nehme ich das zerknüllte Zeitungspapier aus den Schuhen. In der Nacht hatte ich es nochmals erneuert und die Schuhe waren immer noch nass. Nun aber fühlen sie sich eigentlich recht trocken an. Nur die Einlegesohlen, die ich separat in Zeitungen verpackt hatte, sind immer noch feucht. So ist es nicht sehr angenehm, mit den trockenen Socken in die Schuhe zu schlüpfen. Sofort spüre ich die Feuchtigkeit, woran ich mich aber nachdem die Schuhe warm gelaufen waren, ganz schnell gewöhne.

 Ganz unten das Video zur Etappe !

massive Horreos in Olveiroa

massive Horreos in Olveiroa

Doch vor dem Losgehen gibt es noch ein gutes Frühstück in der kleinen Bar der Herberge. Beim anschließenden Gang durch Olveiroa, die Besichtigungstour haben wir am Vorabend verständlicherweise Wetter bedingt weggelassen, fallen einem sofort die vielen Horreos auf. Diese Speicher sind hier aus Natursteinen gebaut und stehen in Reihen wuchtig nebeneinander. Sie zieren fast jeden Hof.

Hinter Olveiroa steigt das Gelände in Richtung einiger Windkrafträder wieder an und man kann links in das Tal des Rio Xallas mit seiner Staumauer sehen. Leider beginnt es hier wieder zu nieseln aber kein Vergleich zum Vortag. Das anziehen des Ponchos lohnt jedenfalls nicht. Die Regenjacke reicht aus, beschließe ich.

Tal des Rio Xallas

Tal des Rio Xallas

Hinter einer kleinen Brücke, nach der es nochmals ein Stück bergauf geht, kommen wir nach Logoso, an dessen Ortseingang sich gleich die hiesige Herberge befindet. In diesem Ort ein Bild, dass man auch nicht so oft sieht: In einem offen stehenden Bauernhof tummeln sich neben dem Hund etliche Katzen und Kaninchen, alles wie in freier Wildbahn in einem bunten Durcheinander. Die Katzen fressen zusammen mit  den Kaninchen aus einem Napf und alles überaus friedlich. Es ist mir eh schon mehrfach aufgefallen, dass sich hier die Hunde mit Katzen besser vertragen als sonst üblich. Meiner wird jedenfalls immer zur Bestie, wenn er eine Katze sieht.

Immer noch geht es ständig bergauf. Man müsste doch bald das Meer sehen? Denke ich bei mir und erwarte dies nach jeder Bergkuppe. Aber auch hinter der nächsten geht es nur noch weiter bergauf.

Abzweig Muxia

Abzweig Muxia

Linksseitig taucht dann ein hässlicher schwarzer Klotz mit einem darüber hinausragenden Schornstein aus welchem dicker schwarzer Rauch quillt auf. Das ist ein sehr seltsamer und etwas schockierender Anblick, passt doch diese uralte Industrieanlage überhaupt nicht in diese verlassene grüne Gegend. Es ist ein Asphalt Werk, welches auch noch ganz übel riecht.

Nach erreichen der Landstraße AC 3404 bei Hospital de Logoso kurz vor dem Abzweig nach Muxia, gehen wir zu einem zweiten Frühstück in die gleich neben der Industrieanlage liegende Bar. In dieser werden wir durch die Betreiberin sofort darauf hingewiesen, dass es die nächsten 16 Kilometer bis nach Cee keine weitere Möglichkeit gibt einzukehren. Das gleiche steht auch auf den Schildern hinter dem Tresen. Na wenn das nicht verkaufsfördernd ist!

Wir bekommen in der Bar ein lautstarkes Gespräch zwischen zwei deutschen Pilgerinnen, die auf dem Rückweg nach Santiago sind und einem deutschen Pilger, der in unsere Richtung geht mit. Mir fällt sofort das Wort „Vielflieger“ ein. Das sind Leute, die alles schon gesehen haben, die alles (besser)wissen und dies jedem, auch wenn er es auch gar nicht gefragt hatte, mitteilen müssen. Wir sind uns ohne Absprache scheinbar einig, dass es besser ist, sich nicht an dem Gespräch zu beteiligen. Nur ein „Buen Camino“ kommt uns über die Lippen, als wir die Bar wieder verlassen. 2277 Camino PrimitivoIch frage mich, ob das nur ein typisch deutsches Verhalten ist oder ob es das bei anderen Nationalitäten auch gibt. Bei aller Nervigkeit dieser Begegnung, haben wir aber erfahren, welche Herberge „sehr sauber“ ist. Wir Deutschen (zumindest viele von uns) sind schon ein seltsames Völkchen, suchen mit unserem Geld das Abenteuer in der Fremde, erwarten aber die gleichen Bedingungen wie zu Hause. Das ist auf dem Camino sicher längst nicht so ausgeprägt, wie in den all inklusive Hotels der Pauschal – Urlauber. Aber man trifft sie auch hier, die Leute, die nach der Bild Zeitung greifen und meckern, wenn es in der Pension im TV keine deutschen Sender gibt oder im Restaurant kein deutsches Essen.

Aber wir haben wieder ein Stück mehr Toleranz gelernt und ich habe mich auch gleichzeitig selbst überprüft, wie viel von dem Gedankengut und dem Verhalten noch in mir steckt.

Die hässliche Industrieanlage, liegt nun schon lange hinter uns. Die Wege werden breiter und gehen oft Kerzen – geradeaus durch Gestrüpp und immer niedriger werdende Pinienwälder, ein Zeichen, dass das Meer nicht mehr weit sein kann.

Cap Finisterre in Sicht

Cap Finisterre in Sicht

Dann endlich wähne ich aus dem Dunst am Horizont einen dunklen waagerechten Streifen zu sehen. Das muss der Atlantik sein. Nur gering hebt sich der Streifen vom Grau des Himmels ab. Aber es ist genau zu erkennen. Halb rechts erblicken wir hier auch zum ersten Mal das Cap Finisterre, welches mit seinem großen Leuchtturm unverkennbar ist. Alles ist noch sehr fern und im Dunst recht undeutlich zu erkennen. Trotzdem versuchen Jörg und ich davon die ersten Fotos zu machen. Im Weitergehen kommt uns mitten auf dem Weg eine Herde Ziegen und der zugehörige Hirte mit seinen zahlreichen Hunden entgegen. Die Ziegen verbreiten einen schlimmen Gestank und springen meckernd auseinander, als ich filmend mitten durch die Herde gehe. Der Hirte grüßt freundlich und ich bin glücklich über das schöne Fotomotiv. Am folgenden Pilgerkreuz, an dem die Pilger vor uns wieder mal so manches abgelegt hatten, macht Jörg mittels Selbstauslöser eines der seltenen Fotos, auf dem wir alle vier drauf sind.

Blick nach Corcubion

Blick nach Corcubion

Eine kleine Rast legen wir dann noch einmal an der kleinen „Capilla da Nosa Senora das Neves“ ein. Danach folgt noch einmal ein langer gerader Weg hinauf zu der Stelle, an der man auf Cee und Concubion schauen kann und ab der es ziemlich steil bergab bis in die Stadt geht. Hier hat man auch erstmals einen Blick auf die stark zerklüftete Atlantikküste links von uns. Es ist die “Costa dem Morte”, die Todesküste. Denn viele Seeleute fanden im Laufe der Jahrhunderte hier im Sturm an den Klippen und Untiefen schon den Tod. Der folgende Weg herunter nach Cee hat es in sich und wir sind sehr vorsichtig, da das lockere Gestein durch den Regenguss am Vortag noch instabiler geworden ist.

Der Weg durch Cee ist etwas verworren und schlecht ausgeschildert. Es gibt zwar einige Schilder, die auf die angesteuerte Herberge am Ortsausgang Richtung Concubion hinweisen aber dies nur sehr lückenhaft. Die Muschelzeichen haben wir schon längst aus den Augen verloren. Aber eigentlich ist es ganz einfach, denn man hat ja nun den Atlantik als Orientierungsmittel und der ist ja groß genug.

Schon als wir die Herberge ansteuern, gefällt uns Cee nicht besonders. Die meisten der Häuser sind sehr neu aber es macht wenig Eindruck auf uns. Die Stadt hat wenig Flair, trotz einiger Versuche durch das aufstellen von Skulpturen oder das anlegen von breiten Fußwegen ihr einen solchen zu verleihen. Hier fehlt etwas ein Konzept. Die Stadt wirkt eher wie ein großes Wohnviertel mit viel Industrie drum herum.

Herberge in Cee

Herberge in Cee

Die neue private Herberge findet man auf dem Weg nach Concubion. Eine steile Asphaltstraße zweigt an einem Monolithen rechts ab und schon nach 30 Metern erkennen wir diese auf der linken Seite durch ein großes Graffiti an der Wand “Albergue”.

Die Hospitalera ist noch beim Saubermachen. Sehr unkompliziert weist sie uns die Betten zu. An diesen finden wir belustigt keine Täfelchen mit den deutschen Worten „Beschäftigt“ für belegt und „Freischaffend“ für frei. Wir drehen die Täfelchen auf “Beschäftigt”. Das sind wir nun auch. Denn der hundertfach getane Ablauf vollzieht sich nun. Rucksack auspacken, Betten machen, duschen…. Die Sache mit den Täfelchen finde ich gar nicht so schlecht. Man kann hier einfach rein gehen und durch umdrehen der Schilder sein Bett belegen, so steht es auch auf einer Infotafel an der Eingangstür. Die Dame kocht uns sofort einen Kaffee und reicht Kekse aus einem großen Glas. Es gibt eine kleine Küche und aus den Fenstern hat man eine schöne Aussicht auf die Bucht, alles sehr, sehr nett.

Ein den üblichen Verrichtungen in der Herberge folgender Streifzug durch die Stadt kann den Gesamteindruck von Cee auch nicht entscheidend verbessern. Es gibt einen großen Einkaufstempel und diverse Einkaufsstraßen mit teils recht hochwertigen Markengeschäften.

Zentrum von Cee

Zentrum von Cee

Cee ist eine Industriestadt und da ist auch etwas mehr Geld unterwegs. Wir trennen uns wieder, um uns individuell in der Stadt bewegen zu können. Jörg sucht eine Farmacia, da sich sein Gesundheitszustand leider immer noch nicht gebessert hat und ich bin auf der Suche nach ein paar neuen Sandalen. Denn meine heiß geliebten Regatta Latschen hatten in Santiago leider den Geist aufgegeben. In einem China – Markt werde ich dann fündig. Ich finde ein paar Gummi – Clogs, die zwar schrecklich nach Chemie stinken aber bis Finisterre sicher ihren Dienst versehen werden. Sie sind vor allem eins – leicht. In tiefer Trauer versenke ich die Reste meiner Sandalen in einem Papierkorb vor dem Markt.

Concubion sah oben auf dem Berg schon von weitem besser aus als Cee und so entschließen wir uns, dorthin zu gehen, um zu Abend zu essen.

Hafen von Corcubion

Hafen von Corcubion

Der Bummel an der Promenade entlang bestätigt dann unseren Eindruck. Concubion besitzt einen schönen alten Ortskern und sieht irgendwie ursprünglicher aus. Direkt am Hafen finden wir dann auch das wonach wir suchen, eine kleine Bar mit einer langen Speisekarte. Wir bemerken sehr viele Einheimische – ein gutes Zeichen. Man bringt uns hervorragende Calamares und  der Vino Tinto de la Casa ist richtig gut.

Hafen von Corcubion am Abend

Hafen von Corcubion am Abend

Es ist bereits dunkel, als wir entlang der Hafenpromenade zurück zur Herberge gehen. Der Anblick der Fischerboote, die zwischen den sich spiegelnden Lichtpunkten auf dem Wasser schaukeln ist mehrere Fotos wert. Angekommen in der Herberge stellen wir fest, dass diese nun fast vollständig gefüllt ist. In dem Bett schräg unter mir hat sich spät abends noch eine Deutsche einquartiert, die mir nun den Schlaf raubt. Ich schnarche ja auch ab und zu, sagt jedenfalls Andrea, aber was diese kleine zierliche Frau in der Nacht für Geräusche macht, ist unzumutbar. Ich klettere also noch mal nach unten, um in meinem Rucksack die fast vergessenen Ohrstöpsel zu suchen.

Diese sind aber auch aus einem anderen Grund notwendig. Bei offenem Fenster ist der Verkehrslärm vor dem Haus ungewohnt laut. Das soll aber die einzige Kritik an der Herberge sein.

Hier das Video zur Etappe (aus lizenzrechtlichen Gründen leider ohne Hintergrundmusik):

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