Mir kommt es vor, als würden wir hier schon seit Wochen durch die Highlands laufen. Ich denke, das liegt an der Vielfältigkeit dieses Weges. Die Charakteristik der einzelnen Etappen war an jedem Tag eine völlig andere. Manchmal wechselte die Szenerie der Landschaft selbst an einem Tag mehrfach. Auch wenn ich mich wiederhole: Aber so habe ich mir die Highlands nicht vorgestellt. Der Weg erfährt, wenn man ihn in Richtung Norden läuft, jeden Tag eine Steigerung. Deshalb rate ich dazu, die klassische Variante von Milngavie nach Fort William nach Norden zu wandern. Obwohl die umgekehrte Richtung ebenfalls beschildert ist und einige Wanderer uns auch entgegen kamen, bin ich der Meinung, dass der sprichwörtliche rote Faden der Dramaturgie dieses West Highland Way in Richtung Norden verläuft und nicht umgekehrt. Wenn ich mir nun vorstelle, dass ich heute statt durch die grandiose Bergwelt der Highlands, am letzten Tag von Drymen nach Milngavie durch endlose Weidelandschaft wandern würde, hätte diese Etappe im Vergleich zu den vorherigen sicher einen ganz anderen Eindruck hinterlassen. Sie ist im Vergleich zu den anderen eher langweilig, was wir vor einer Woche jedoch ganz anders sahen. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, weshalb diese erste Etappe oft ausgelassen wird und viele den WHW erst am Loch Lomond beginnen.
Hier der Link zum GPS Track dieser Etappe auf GPSies: Klick
Noch viel mehr Fotos vom gesamten West Highland Way gibt es HIER.
Wir haben offenbar alles richtig gemacht und genau dort, wo es drauf ankommt auch das nötige Wetterglück genossen. Wie immer schaue ich auch heute zuerst hinauf nach dem Wetter. Und ich kann Andrea beruhigt sagen: “keine Wolke am Himmel!” Wir kommen kaum heraus aus den Betten. Elzie hat es mit den vielen Kissen, den Decken und den super dicken Matratzen etwas zu gut gemeint. Auf alle Fälle (auch wenn wir das zum Glück noch nicht nötig haben!) sind die Betten Senioren – gerecht, so hoch wie sie gepolstert sind. Gestern fragte uns Elzie übrigens, ob wir zum Frühstück Porridge mögen. Und sie verzog ihr Gesicht bei der Frage derart, dass wir sofort wussten, dass dies nicht ihre Leibspeise ist. Als wir alle (was mich doch sehr verwunderte!) verneinten, erhellte sich sofort ihr Gesicht. Diese Frau wird mir immer sympathischer.
Wir sind die ersten am Frühstückstisch. Ich glaube, wenn wir von allem nur mal kosten würden, säßen wir in einer Stunde immer noch hier. Das Wort “reichhaltig”, wie das Frühstück hier in einigen Berichten auf Bewertungsportalen bezeichnet wird, ist sehr untertrieben. Es scheint, die Schotten fahren hier alles noch mal auf, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Den sprichwörtlichen Geiz konnten wir nirgends beobachten.
Nachdem wir unsere Rucksäcke auf dem Hof in einem extra dafür vorgesehenen Raum abgestellt haben, verabschieden wir uns von Elzie und ihrer Familie und gehen das letzte Teilstück des West Highland Way an. Dazu müssen wir wieder hinunter in den Ort und über die Brücke des Leven River. Irgend wo hier müsste der Weg nach oben rechts von der Straße abzweigen. Und auch hier gibt es wie gewohnt genau an der richtigen Stelle das Hinweisschild. Wie bereits im vorigen Post geschrieben: “Wo es lange bergab geht, geht es auch wieder bergauf.” Wir beschäftigen uns nun mit letzterem. Kinlochleven liegt wie ebenfalls bereits geschrieben auf Meereshöhe. Wir müssen also nun gleich am Morgen wieder auf etwa 400 Meter über n.N. klettern. In etlichen Serpentinen folgen wir einem steilen Aufstieg. Der Wald lichtet sich bald und wir verschnaufen kurz auf einem Felsvorsprung. Von hier haben wir noch einmal einen herrlichen Ausblick auf den Loch Leven, den Ort Kinlochleven und etwas weiter oben erkennen wir unseren gestrigen Weg hinunter vom Pass der Devil´s Staircase. Hier treffen wir auch einige unserer Mitstreiter wieder, die uns auf einigen Etappen immer wieder begegnet sind. Sie schnappen genau so nach Luft wie wir.
Obwohl bereits ein gewisser Trainingseffekt bemerkbar ist, ganz so außer Atem wie an den Steigungen am Anfang des Weges bin ich nicht mehr. Der WHW ist nur leider zu kurz, als dass man von diesem Effekt weiter profitieren könnte. Das war auch bereits unsere Erkenntnis nach früheren Wegen. So richtig hat man sich erst nach einer Woche an das tägliche laufen gewöhnt. Als wir wieder bei Luft sind und genügend Fotos gemacht haben, gehen wir weiter. Wir treffen weiter oben nun wieder auf eine der alten Militärstraßen, die das Hochland wie es scheint überall durchziehen. Die letzte Etappe des West Highland Way umgeht die Gebirgsgruppe der Mamores westlich in weitem Bogen durch das Tal des Allt Nathrach. Dieser windet sich in Mäandern auf dem Talgrund, während wir immer noch leicht ansteigend an der rechten Talflanke entlang wandern.
Nach etwa 3 Kilometern ist ein 330 Meter hoher, mooriger Sattel, das Lairigmor, erreicht. Kurz danach sehen wir bereits das Bild, welches oft in Publikationen über den West Highland Way gezeigt wird: die Ruine der Farm Tigh na Sleubhaich. Dieser Anblick hat meine Vorstellung von den Highlands sicher am meisten beeinflusst. Ein großes Schild weist darauf hin, dass Einsturzgefahr besteht. Wir legen vor der Ruine eine kleine Rast ein. Man kann von hier einen großen Teil des weiteren Weges als schmales graues Band durch das Tal verfolgen. Au, da liegt noch ein ganzes Stück vor uns. Wenig später passieren wir noch eine Ruine, die der Farm Lairigmor. In dieser Gegend hatten die Crofter (das sind die Pächter des Landes) von Blarmachfoldach die Sommerweiden für ihre Rinder.
Die spärlichen Reste der alten Steinhütten zeugen hiervon. Heute wird die Weide von Schafen genutzt. Im Jahr 1812 gab es hier noch 200 Menschen, die vom Crofting lebten. Sie fielen den Clearances, der gewaltsamen Räumung des Hochlands durch die Großgrundbesitzer zum Opfer.
Der Weg wendet sich nun in einem weiten Rechtsbogen nordwärts und vollendet ohne große Höhenunterschiede die Umrundung der westlichen Mamores, die sich die ganze Zeit rechts von uns auftürmten. Es sind die höchsten Berge Schottlands.
Die Hälfte der heutigen Etappe erreichen wir in der Nähe des Lochan Lun da Bhra, einem kleinen See, in dem der Legende nach ein Untier hausen soll, welches das Weidevieh in die Tiefe zerrt. Na ob das nicht eine willkommene Ausrede für Viehdiebe war? Ein Teil der Gegend hier bietet einen recht trostlosen Anblick. Hier wurde großflächig der Wald gerodet. Gerodet heißt hier, dass man die
großen Stämme vor etlichen Jahren mitgenommen hat und der Rest nun kreuz und quer im Gelände liegt. Von einer Wiederaufforstung ist nichts zu bemerken. Einige fast kahle Fichtenstämme ragen wie Ruinen einer zerbombten Stadt aus dem Chaos – ein trauriger Anblick. Nur an den Ufern des kleinen Sees gibt es noch etwas Wald.
Das Gelände steigt nun wieder etwas an und über der nächsten Bergkuppe taucht plötzlich der schneebedeckte Gipfel des Ben Nevis, des mit 1344 Metern höchsten Berges der britischen Inseln auf.
Eben noch wandern wir über ausgedehnte Weiden. Doch unversehens versinkt der Weg in einem tiefen dunklen Fichtenwald. Wir steigen hinab ins Glen Nevis, dem letzten Tal auf dem Weg nach Fort William. Auf der linken Talseite zieht sich nun der WHW weiter Richtung Norden. In stetigem Auf- und Ab verlangt der Weg noch mal alles von uns ab. Zudem es heute besonders warm ist und die Sonne ungehindert auf uns nieder prasselt. Soweit wir nicht gerade den Schatten des Waldes nutzen können, ist es noch mal sehr schweißtreibend. Das hätte ich vor der Reise auch nicht gedacht, dass ich das mal im Anschluss schreiben kann…
Bevor wir nun ganz ins Tal absteigen, passieren wir die Reste der Wälle von Dun Deardail, einer eisenzeitlichen Befestigung. Hier packen wir die letzte Banane auf dem Weg aus und machen eine kleine Rast. Rechts von uns erhebt sich der mächtige Ben Nevis. Wir sehen von hier sehr gut den Pfad, der zunächst auf den vorgelagerten Sattel und dann auf den Gipfel führt. Wir hatten ursprünglich ins Auge gefasst, am nächsten Tag den Versuch zu wagen, diesen Berg zu besteigen. 1344 Meter,
das ist in den Alpen nicht mal ein richtiger Gipfel. Aber hier muss man von Meeresspiegel Höhe los gehen. Und zu beachten ist, dass wir hier viel nördlicher sind. Für einen geübten Bergwanderer stellt der Ben Nevis sicher kein Problem dar. Aber er wird oft auch unterschätzt, so dass in jedem Jahr sogar Todesfälle an diesem Berg zu beklagen sind. Im Angesicht dieses Weges, den wir hier in der gesamten Länge einsehen können, überlegen wir uns das noch mal mit dem Aufstieg. Zunächst müssen wir ja erst mal in Fort Williams ankommen. Die breite Schotterstraße verlassen wir erst, als wir den Talgrund erreichen. Auf Höhe des Glen Nevis Informationszentrums wechseln wir über einen schmalen Pfad hinüber zur Asphaltstraße.
Entlang dieser erreichen wir auf einem Bürgersteig nach etwa 2 Kilometern das bis 2009 ursprüngliche Ende des West Highland Way. Das blau – weiß – grüne Schild mit der uns vertrauten Distelblüte haben wir fast übersehen. Ich lichte noch zwei andere Wanderer ab, bevor diese uns dann auch zusammen fotografieren. Der Weg in die Innenstadt zieht sich nun noch etwas in die Länge. Und ich weiß nicht so genau, wo denn nun der Bronze – Wanderer auf seiner Bank sitzt und sich den rechten Fuß hält. Dieses Bild hatte ich schon mehrfach im Internet gesehen. Die Stadt ist voller Menschen. Wir müssen im Slalom zwischen ihnen hindurch. Die wenigsten davon sind Wanderer. Die, die als solche zu erkennen sind und uns entgegen kommen, haben alle ein Lächeln im Gesicht. Also ist es bis zum richtigen Endpunkt noch ein Stück. Auf einem Platz mitten in der Einkaufsstraße frage ich dann sicherheitshalber nach “The End off the Way?. Und man weist immer noch weiter geradeaus.
Erst am Ende der Einkaufsstraße entdecke ich besagte Bank. Wir haben seit Milngavie bis hier her etwa 154 Kilometer und 4500 Höhenmeter bewältigt. Wir legen fest, dass dies ein triftiger Grund zum feiern ist. Aus dem Schnellrestaurant um die Ecke holen wir uns ein Glas Bier und stoßen an auf den Weg und unser Ankommen. Dieses Ankommen nach solch einem langen Weg ist bei aller Freude immer etwas seltsam. Es hinterlässt in einem eine gewisse Leere und auch ein

unser Zertifikat
wenig Traurigkeit, neben der Freude eine seltsame Mischung. Es ist vorbei. Morgen müssen wir nicht mehr laufen. Der Tagesablauf wird ein ganz anderer sein. Wir müssen uns plötzlich selbst was einfallen lassen.
Erst auf dem Rückweg habe ich etwas Muße, mir den Ort etwas intensiver anzusehen. Fort William ist beileibe keine Schönheit. Bis auf besagte Einkaufsstraße bietet der Ort kaum architektonische Höhepunkte. Wir haben noch einen Tag hier und wollen erst übermorgen mit dem Bus weiter nach Edinburgh. Heute nehmen wir Quartier im B&B Guisachan House. Dazu müssen wir wieder zurück bis fast zum Ortseingang. Hier treffen wir auch das deutsche Ehepaar aus Kinlochleven wieder. Am Abend gehen wir noch einmal in die Stadt, ursprünglich zum Abendessen. Das Unternehmen entwickelt sich jedoch zu einer schier endlosen Suche nach vier freien Plätzen in einem der vielen Pub´s. Zum Schluss sitzen wir dann entnervt mit Fisch und Chips aus dem Imbiss neben dem Bronzewanderer draußen auf der Bank. Na was soll´s, es war reichlich und schmackhaft. Zurück in der Unterkunft gönnen wir uns aber noch einen Bowmore.
Den Höhepunkt des Tages bildet eine traditionelle schottische Hochzeit mit Dudelsack Musik und allem Drum und Dran, die wir vor der Kirche beobachten.
Wir ziehen für die letzte Nacht in Fort William in ein Hostal um, wodurch wir erst richtig bemerken, was den Unterschied ausmacht in den verschiedenen Preis – Kategorien. Etwas beengt übernachten wir hier in einem winzigen Zimmer in Stockbetten, haben aber einen riesen Spaß dabei.
Am folgenden Tag fahren wir 7 Uhr mit dem Bus nach Edinburgh. Der Bus ist hier wesentlich preiswerter als die Bahn. Wir sehen aus dem Bus heraus fast die gesamte gelaufene Strecke. So sieht das also hier bei schlechtem Wetter aus… . Am Loch Lomond regnet es dann auch noch in Strömen. Die zwei Tage in Edinburgh sind dann ein anderes Thema und das hat mit dem Weg nichts zu tun. Deshalb gehe ich hier nicht weiter darauf ein.
Nur so viel: Edinburgh ist sicher eine Reise wert. Nach der Einsamkeit der Highlands ist es jedoch eine Art Kulturschock. Es ist von Touristen völlig überlaufen und spätestens am zweiten Tag, wenn man die beeindruckende Fassade kennt und etwas hinter die Kulissen schaut, erkennt man die Probleme der Stadt: Zu viele Touristen, zu viele Obdachlose und organisierte Bettler, verdreckte Hinterhöfe und Seitenstraßen. Wir sind hier am 2. Tag mindestens 15 Kilometer durch die Stadt gelaufen, auch außerhalb der Touristenmeile. Das relativiert etwas den ersten positiven Eindruck. Wer also ebenfalls die Gelegenheit nutzen möchte, vor oder nach dem WHW sich Edinburgh mal anzusehen: Ein Tag dafür ist ausreichend, wenn man nicht vor hat, noch irgendwelche Museen oder das überteuerte Schloss zu besichtigen.




Bedanken möchte ich mich zu Schluss bei den Mitarbeitern der Firma Vividus Reisen, bei allen, die sich am Weg um uns gekümmert haben und natürlich bei meinen Mitstreitern, bei meiner Frau Andrea, bei Ines und bei Steffen für die (fast immer) gute Laune.

So, das war´s wieder mal. Ich hoffe, dass ich nicht zu sehr gelangweilt habe und nicht zu viele Rechtschreibfehler nach der Kontrolle übrig geblieben sind. Wer welche findet, kann sie behalten! Über Kommentare unter den Post´s freue ich mich natürlich auch.
Ich wünsche allen, die derzeit unterwegs sind oder dies vor haben einen