Der Himmelfahrtstag sollte unser erster richtiger Lauftag werden. Also hieß es, sich schon am Vortag mit den nötigsten Lebensmitteln einzudecken und dies alles im Rucksack mit zu nehmen. Auch aus dem Grund sind unsere Rucksäcke in Deutschland schwerer. Die Versorgung ist einfach schwieriger als an höher frequentierten Pilgerwegen wie beispielsweise in Spanien, wo sich am Weg durch die hohen Pilgerzahlen eine entsprechende Infrastruktur gebildet hat. In Deutschland dagegen gibt es in den Dörfern kaum noch feste Einkaufsmöglichkeiten und wenige Gastwirtschaften, die zur richtigen Zeit geöffnet sind, eine bedauerliche Entwicklung, die wir auch schon an der Via Regia zu spüren bekamen. Pilgerverpflegung ist in diesem Sinne recht eintönig, haltbare Wurst, meist Salami oder Schinken, ein Stück Käse, etwas Brot, ein paar Tüten instant Kaffee und Trinkwasser. Das war es schon. Von Friedland bis Staven gibt es keine Einkaufsmöglichkeit und am Feiertag wäre eh alles zu gewesen. In Staven wird nur eine kleine Verkaufsstelle betrieben, die aber meist schon geschlossen ist, wenn ein Pilger von Friedland aus eintrifft.
Krümel fuhr also zusammen mit uns am Morgen nach Friedland. Wir hatten es nicht eilig, da es heute nur 12 Kilometer sein sollten, die wir vor uns hatten. Er wollte dann weiter zurück nach Neubrandenburg laufen und am Abend unser Auto zurück vor sein Haus holen. Angekommen in Friedland war die Kirche entweder noch oder schon wieder verschlossen. Schade, wir hätten gern einen Stempel von hier im Pilgerpass gehabt.
Hier der Weg als GPS Track, wie wir ihn wirklich gelaufen sind.
Ganz unten der Link zum GPS Track (geplanter Weg)
Heraus aus der Kleinstadt nördlich von Neubrandenburg geht es durch die Mühlenstraße, an deren Ende sehr schöne alte Fachwerkhäuser stehen. An der Datze, einem kleinen aufgestauten Flüsschen, liefen wir angeregt plaudernd bei diesigem Wetter entlang. Man nennt es das Datzetal, obwohl von einem Tal nicht viel zu sehen ist. Gemächlich fließt der Fluss, der eigentlich ein Bach ist, durch das flache Land, durch Pappel Alleen, deren Bäume über und über mit Mispeln behangen sind.
Am schnurgeraden Verlauf des Flussbettes erkennt man, dass da der Mensch Hand angelegt hatte. Von den Feldern münden hier und da Entwässerungsgräben in der Datze. Man wechselt mehrmals die Uferseite. Aufpassen muss man an der Stelle, wo man das zweite Mal wieder zur linken Uferseite wechselt. Hier führt auch ein Weg nach halb rechts. Der richtige führt aber weiter die Datze entlang. Diese wie auch die nächste Abzweigung ist nicht beschildert. An der nächsten Brücke, vor der sich ein Wehr befindet, nimmt man die asphaltierte Straße nach rechts. Diese führt direkt nach Roga. Am Ortseingang von Roga ist schon von Weitem ein Storchennest zu sehen. Zu unserer Zeit saß bereits ein Storch auf dem Nest und brütete.
Vorbei an der Kirche, die ebenfalls leider verschlossen war, kamen wir an einen Abzweig, der der Grund wurde, weshalb wir dann doch drei Kilometer weiter liefen an diesem Tag bis nach Staven. Auf einem kleinen Grünen Wegweiser, auf dem “Staven 4,5 km” steht, ist auch eine Muschel angebracht. Nur leider zeigte dieses Schild in die falsche Richtung. Nach der Beschreibung und auch nach meinem gezeichneten Track geht hier der Weg geradeaus über einen Betonplattenweg aus dem Dorf heraus direkt nach Staven. Dieses Schild verwies uns aber nach links in Richtung Bassow, das selbst schon 3 km etfernt war. Wenn man die Muschel allein gedeutet hätte, deren Strahlen in die richtige Richtung zeigte und unter der kein kleiner Pfeil (wie später üblich) vorhanden war, wären wir hier richtig gelaufen. So haben wir uns aber von dem Schild wirr machen lassen. Möglich, dass ein Witzbold dieses Schild auch verdreht hat. Erfahren werden wir es wohl nie. Leider habe ich das Schild nicht fotografiert. Da wir aber auf der Karte sahen, dass es von Bassow ebenfalls einen 3,5 km langen Weg nach Staven gab, folgten wir Krümel, der in Richtung Neubrandenburg eh hier hätte links abbiegen müssen.
Die Etappen von Friedland nach Neubrandenburg unterscheiden sich landschaftlich deutlich von den nachfolgenden. Von Seen und Wäldern ist weit und breit nichts zu sehen. Dafür gibt es weites Land mit einzelnen “Inseln” auf denen Bäume stehen. Alles war um diese Jahreszeit saftig grün und die Rapsfelder leuchtend gelb. So bekommt man auch Tiere vor die Kamera, die als sehr scheu gelten, wie hier diese Kraniche.
Einen Kilometer hinter Roga (Roga Ausbau) sahen wir ein paar kleine Findlinge unter einer großen Linde liegen, eine willkommene Einladung zu einer kurzen Rast. Nochmals holten wir die Wegbeschreibung heraus, um bestätigt zu bekommen, dass wir etwas abgekommen waren vom Weg. Ein Anwohner, der neugierig geworden war, kam zu uns und wir erzählten ihm natürlich, was wir hier treiben. Etwas verwundert verschwand er wieder in seinem Haus und wir hievten die Rucksäcke wieder auf den Rücken, um weiter zu ziehen. Schnell waren wir dann in Bassow, wo wir uns nochmals bei Krümel für die Gastfreundschaft bedankten und uns von ihm verabschiedeten. Man sieht sich immer zwei mal im Leben, rief ich ihm zu. Und das sollte keine Drohung sein.
Und während er mit erhöhtem Tempo weiter in Richtung Neubrandenburg zog, bogen wir rechts ab, um gemächlich durch vom Löwenzahn gelb gefärbte Wiesen und einen kleinen Wald in Richtung Staven zu wandern. Nach dem trüben Wetter am Vormittag, mit ein paar Regentropfen, die aber nicht rechtfertigten, die Regenkleidung anzuziehen, kam nun sogar die Sonne heraus. Trotzdem blieb es kühl, eigentlich ideales Wanderwetter. Staven kam bald in Sicht und aus der Ferne vernahm man aus einer Gartenanlage Party – Stimmung. “Ach ja, es ist ja Himmelfahrt / Männertag. Mann, so weit gelaufen und nicht mal ein Bier bekommen.” Das hatte ich auch noch nie. Etwas neidisch horchte ich, wo der Lärm her kommt, um dann schließlich festzustellen, dass es leider doch eine private Feier und keine Gartenkneipe sein muss. Zu Hause fuhren die Kumpels jetzt mit dem Rad von Kneipe zu Kneipe. Was soll´s – weiter!
Schnell hatten wir das Pfarrhaus gleich hinter der kleinen Kirche gefunden. Kurz nach dem Klingeln rappelte es hinter der Tür. Wir hatten uns zwar angemeldet, aber nicht abschätzen können, wann wir eintreffen. Und so waren wir froh, als Frau Kretschmer öffnete und uns freundlich ins Haus bat. Nach einer kurzen Einweisung im Erdgeschoss, führte sie uns eine steile Treppe hinauf ins Dachgeschoss, wo zwei kleine Zimmer für die Pilger bereitgehalten werden. Wir zählten fünf Schlafmöglichkeiten auf Betten oder Liegen in den zwei Zimmern.
Ein paar Blumen standen auf dem Tisch und neben der Bibel stand eine Flasche Mineralwasser mit Gläsern. Hier fühlten wir uns sofort willkommen. Im Erdgeschoss befindet sich das Bad, das WC und eine kleine Küche mit allem, was man benötigt. Frau Kretschmer zeigte uns auch den großen Garten mit Schafen, einem kleinen Teich und einem Gewächshaus. Nach dem wir alles im Haus erledigt hatten (Dusche, Betten machen, Essen), setzten wir uns noch eine Weile im Garten in die Sonne. Frau Kretschmer und später Herr Kretschmer, der der Pastor in Staven und in mehren umliegenden Gemeinden ist, kamen hinzu und wir unterhielten uns über den Weg, über unsere Beweggründe zu pilgern und über die umfangreiche Arbeit eines Pastors. Schon auf dem ökumenischen Pilgerweg haben wir von den vielfältigen Aufgaben und dem langen Arbeitstag eines Pastors erfahren. Wie im weltlichen Sektor gibt es offensichtlich auch bei der Kirche Personalmangel und man muss Hochachtung aufbringen für diese Arbeit am Menschen. Hier wie auch in nachfolgenden Pfarrhäusern, in denen wir aufgenommen wurden, hatten wir den Eindruck, dass so ein Pastor viel Zeit im Auto verbringt, um von einer Gemeinde zur anderen zu fahren. Die Zeiten, wo jedes Dorf “seinen” Pastor hat, sind lange vorbei. Das hatte ich auch schon zu Hause festgestellt. Ja und dann erklären sich solch eigentlich bereits voll ausgelasteten Menschen auch noch bereit, Pilgern Unterkunft zu bieten. Da kann man nur den Hut ziehen und danke sagen.
Als es draußen zu kühl wurde, lud uns Familie Kretschmer in ihre Küche zum Abendessen ein. Vielleicht war es etwas unhöflich. Aber wir mussten das Essen leider ablehnen, denn erstens hatten wir bereits gegessen und zweitens, alles was wir heute essen, müssen wir morgen nicht im Rucksack weiter schleppen. Man wird ziemlich geizig und sparsam auf so einem Pilgerweg. Man wirft nichts weg und da wird auch mal ein Brötchen gegessen, was schon zwei Tage alt ist. Man lässt es im Rucksack, weil man nicht genau weiß, wann man wieder zum Einkauf kommt. Wir bedankten uns aber herzlich und setzten uns wenigstens mit an den Tisch. Herrn Kretschmer versprach ich, Rückmeldung zu geben wenn wir unseren Weg beendet haben, was zwischenzeitlich bereits erfolgt ist. Er liest sicher auch hier mit und ich grüße ihn herzlich. Vielleicht kann er dabei helfen diesen oder jenen gut gemeinten Hinweis umzusetzen.
Na denne, gute Nacht und bis morgen.
Und hier der GPS Track für die Ostvariante von Friedland bis Mirow zum Download bei GPSies.com. Man kann ihn in verschiedenen Formaten herunter laden. Für GPS Geräte oder Smartphones ist das gpx Format gebräuchlich. Zur Darstellung in Google Earth bitte in kmz oder kml Format herunter laden.
Der Track ist nicht der, den wir gelaufen sind, sondern der wahrscheinlich ursprünglich geplante. Abweichungen kann es trotzdem geben, da die Beschilderung nicht immer eindeutig war.
QR-Codes sind zweidimensionale Barcodes, die von jedem Gerät, das die entsprechende Software installiert hat, interpretiert werden kann. Lade dir die URL dieser Strecke einfach auf dein Mobiltelefon herunter (erfordert QR Code Software auf deinem Mobiltelefon).
http://www.gpsies.com/mapOnly.do?fileId=oeiovoapqqyuxksc&mode=kmlTour