Seltsamer Titel? Stimmt! Im Laufe des heutigen Berichtes werde ich die Sache aufklären.
Blick nach Barcelos
Das Schnarchkonzert in dieser Nacht hielt sich in Grenzen. Trotzdem war ich laufend wach. Andrea meckert auch über das Bett. Diese abwaschbaren Kunstleder – Bezüge sind sicher sehr hygienisch. Aber man läuft Gefahr mit samt seinem Schlafsack aus dem Bett zu rutschen, so glatt ist die Auflage. Da genügend Waschbecken und Toiletten vorhanden sind, benötigen wir nicht lange, bis wir fertig zum Abmarsch sind. Um die noch Schlafenden nicht zu stören, klemme ich den ganzen Haufen Klamotten und den Rucksack einfach unter den Arm und gehe hinunter in den Gemeinschaftsraum. Dort auf dem großen Tisch ist es auch viel bequemer, den Rucksack einzupacken, als oben kniend auf dem Fußboden. So richtig trocken sind die Sachen ja noch nicht. Vor allem die Schuhe fühlen sich noch sehr feucht an. Nach ein paar Minuten an den Füßen, sind sie dann aber warm und gar nicht mehr so unangenehm.
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auf der Brücke über den Riu Cadavo
Ortseingang von Barcelos
Ein ganz heller Fleck am bewölkten Himmel lässt in mir Hoffnung aufkommen, dass wir heute nicht wieder den ganzen Tag durch den Regen laufen müssen. Doch bereits auf der Brücke über den Riu Cadavo beginnt es wieder zu tröpfeln. Trotzdem lugt auch hier die Sonne zwischen den Wolken hervor und zaubert eine interessante Lichtstimmung. Der Fluss transportiert allerlei Gestrüpp und fließt sehr schnell. Er führt Hochwasser. Was in Anbetracht des gestrigen Dauerregens kaum verwunderlich ist. Am Ortseingang von Barcelos passieren wir die Igreja de Santa Maria Major – Matriz. Und gleich davor entdecken wir einen bunten Hahn. Die Stadt Barcelos ist für ihre handgefertigte Töpferkunst bekannt, insbesondere für den Galo de Barcelos – einen farbenfrohen Hahn, der ein inoffizielles Nationalsymbol ist und oft als Symbol für ganz Portugal verwendet wird. In vielen Souveniershops ist er deshalb zu finden.
Barcelos hat wie Santo Domingo de la Calzada ebenfalls ein Hühnerwunder. Laut der Legende wurde in Barcelos ein Missetäter lange nicht gefunden. Eines Tages kam ein galizischer Pilger in die Stadt und da er hier ein Fremder war, wurde er verdächtigt. (Das war also damals nicht anders als heute!). Er wurde festgenommen, obwohl er seine Unschuld beteuerte. Niemand glaubte, dass dieser Fremde auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela war. Der Pilger wurde zum Galgen geführt. Vor seiner Hinrichtung bat der Galizier darum, nochmals dem Richter vorgeführt zu werden. Als sie am Haus des Richters ankamen, hielt dieser ein Festmahl mit seinen Freunden. Der Pilger beteuerte erneut seine Unschuld und zeigte auf den gebratenen Hahn auf dem Tisch und sagte: „Wenn ich unschuldig bin, wird dieser Hahn dreimal krähen“. Das Unmögliche geschah! Als der Pilger gehängt werden sollte, stand der Hahn auf und krähte dreimal. Der Richter war über dieses Wunder so erstaunt, dass er den Pilger frei ließ. Nach einigen Jahren kehrte der Pilger nach Barcelos zurück und errichtete ein Denkmal zu Ehren der Jungfrau Maria und des heiligen Jakobus. Seitdem werden in ganz Portugal leuchtend bemalte Hähne aus Keramik als Glückssymbol verkauft.
Tempel do Bom Jesus da Cruz
Eher schlendernd laufen wir durch Barcelos, welches bei schönerem Wetter sicher noch eindrucksvoller wäre. Wir haben noch etwas Zeit, da wir uns erst gegen 8 Uhr vor dem Hotel treffen wollen, in dem Jörg und Jürgen abgestiegen sind. Die Stadt ist fast leer um diese Zeit. Und wenn uns mal jemand begegnet, so versucht er schnellen Schrittes dem Regen zu entkommen. Ins Trockene gelangen wir, in dem wir uns in den Tempel do Bom Jesus da Cruz verziehen, dessen Türen weit offen stehen. Die Kirche wurde nach dem geheimnisvollen Auftauchen eines schwarzen Kreuzes im Dezember 1504 errichtet. Seitdem wird jedes Jahr am 3. Mai das “Fest des schwarzen Kreuzes” gefeiert (Festa das Cruzes). Eine Möglichkeit unseren Pilgerpass hier abstempeln zu lassen, finden wir leider nicht. Und nachdem wir uns etwas umgesehen haben, laufen wir zurück zum vereinbarten Treffpunkt.
auf geht´s
Als die beiden aus dem Hotel kommen, berichten sie, dass sie bereits ein Kaffee ausfindig gemacht haben, in dem wir frühstücken können. Wir drängen uns in die äußerste Ecke an einen kleinen runden Tisch und bestellen das übliche. Die Stadt verlassen wir zunächst entlang einer breiten Hauptstraße. Vor dem Ortsausgang zweigt der Weg dann endlich auf eine Nebenstraße ab, so dass es etwas ruhiger wird. Der Himmel hält seine Schleusen gerade geschlossen. Und als Jörg und Jürgen pausieren, um ihre Regensachen auszuziehen, laufen Andrea und ich langsam weiter. Die Gegend wird nun ländlicher. Ich drehe mich des Öfteren um, um zu sehen, ob die beiden nach kommen. Im nächsten Dorf beginnt es dann doch wieder zu regnen, erst ganz langsam und dann aber wirklich volle Pulle.
immer noch dunkle Wolken
Wir flüchten unter ein Dach, welches über einem Waschplatz errichtet ist. Die dicken Regentropfen trommeln auf das Wellblech. Da nähern sich ein paar Gestalten. Durch den Regenschleier erkenne ich Jörg und Jürgen. Doch da ist noch jemand dabei. Eilig kommen die drei näher, um ebenfalls Schutz unter dem Dach zu suchen. Unter dem dritten Poncho verbirgt sich Marion, die wie ich erfahre, ebenfalls wie Jürgen aus Süddeutschland kommt. Dicht gedrängt um das Wasserbecken warten wir den Schauer ab. Heute scheint es wenigstens nicht durch zu regnen, so dass wir ab und zu den Poncho ausziehen können. Der anschließende Weg führt nun immer öfter durch dichte Eukalyptuswälder und es wird bergiger. Jürgen und Marion schlagen ein Wahnsinns Tempo an, jedenfalls für meine Verhältnisse. Von Jürgen mit seinen langen Beinen bin ich es ja gewohnt. Aber erstaunt bin ich über Marion. Unter ihrem weiten Poncho vermutet man dieses kleine Kraftpaket gar nicht. (Ich hoffe, sie entschuldigt diesen Ausdruck.) Wie sie hier los tippelt, erzeugt meinen Respekt. Zumal ich zunächst ihr Alter völlig falsch eingeschätzt habe. Wegen ihres weiten, wenig kleidsamen Poncho ist mein Fauxpas aber sicher entschuldbar. Und wir sehen ja auch nicht besser aus. Marion passt in die Welt, ist sehr gut drauf und schnattert in einem fort.
noch ist der Poncho notwendig
Mir geht es dagegen immer schlechter. Die Schmerzen in der Brust werden immer schlimmer. Zusätzlich steigt mein Frust, nicht mehr hinterher zu kommen. Dann auch noch dieser eintönige Weg auf dieser Asphaltstraße, die stetig bergauf zu gehen scheint. Meine Motivation sinkt mit jedem Schritt. So weit, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, hier an dieser Stelle den Pilger in mir zu ermorden. Deprimiert sitze ich neben Andrea auf einer Mauer und teile ihr meinen Entschluss mit. Es geht einfach nicht mehr. Und wenn es dann nur noch weh tut, bleibt jede Motivation und jede Freude auf der Strecke. Und natürlich erscheint dann auch dieser Weg in keinem so schönen Licht. Zu allem Überdruss fängt es dann auch noch wieder an zu regnen. Ich frage mich, wo um alles in der Welt dieser Weg hier schön sein soll. Bisher sind wir außer am ersten Tag zu 80 Prozent auf Kopfsteinpflaster oder Asphalt gelaufen. Das macht mir ja sonst eigentlich nichts aus. Aber was mir bisher fehlte, war etwas Abwechslung, etwas für´s Gemüt. Im Regen kann ich wirklich nichts Schönes an diesen Eukalyptuswäldern finden und auch die Ortschaften heben mich nicht sonderlich an. Ich bin jetzt deprimiert und unleidlich!! Beschließe ich! Das alles geht mir gerade durch den Kopf und versucht meine Entscheidung zu untermauern und zu entschuldigen. “Wir suchen uns eine schöne Unterkunft in der Nähe von Porto und verbringen die restliche Zeit hier bis zum Heimflug”, so meine Idee.
Das alles erklärt nun den etwas merkwürdigen Titel dieses Beitrages. Warum ich trotzdem weiter laufe, kann ich heute nicht mehr ganz nachvollziehen. Sicher hat mir Andrea gut zugeredet und meinen Ehrgeiz für die nächsten Kilometer wieder etwas geweckt. Aber da war irgendwie noch was.
an der Herberge in Portela de Tamel
Ich schleppe mich also noch bis Portela de Tamel, wo vor der Herberge die anderen drei warten. “Wenn das nicht besser wird, mache ich heute Schluss” verkünde ich kleinlaut vor den anderen. So richtig ernst scheinen die meine Ansprache aber nicht zu nehmen. “Trink und iss erst mal was und setze dich hin.” Unsere Rucksäcke, darauf die nassen Ponchos lehnen an der Kirchenmauer und wir sitzen in der Sonne auf einer langen Bank. Ja, ihr habt richtig gelesen – in der Sonne!! Es ist schon irre, wie ein paar Sonnenstrahlen nach diesen verregneten Tagen die Stimmung aufhellen. Jeder kramt aus seinem Rucksack noch irgendetwas für eine kleine Mahlzeit heraus. Die Schuhe, derer wir uns entledigt haben, dampfen in der Sonne. Es ist auch Zeit, sich mit Marion etwas bekannt zu machen. Ich hatte ja bisher mehr mit mir selbst zu tun. Also stelle ich mich artig vor und ich bekomme von ihr zu hören: DER Gert Kleinsteuber aus dem Internet? Sie kennt mich von verschiedenen Posts aus dem Pilgerforum und auch meinen Blog. Ist also doch nicht ganz umsonst, dieses ganze Geschreibsel hier? Ich fühle mich geschmeichelt. Es wird dann über alles Mögliche gequatscht und viel gelacht. Ich überspiele damit etwas den immer noch in mir stattfindenden Todeskampf. Der Pilger in mir kämpft tapfer ums Überleben. Ich wäge immer und immer wieder das Für und Wider innerlich ab, denke an die Wege, die wir in den letzten Jahren gegangen sind, an die schönen Erlebnisse und an die vielen Begegnungen. Ich mache es mir nicht leicht, raffe mich dann schließlich auf, weiter zu gehen. Ich laufe jedoch nun noch langsamer als zu Beginn des heutigen Weges.
eine Bar bei Balugães
Jürgen und Marion sind schon lange unseren Blicken entschwunden. Wir treffen sie aber wenig später vor einer Bar wieder. Auf den glänzenden Aluminiumstühlen lassen wir uns ebenfalls nieder, trinken Kaffee und genießen das immer besser werdende Wetter. Auf den folgenden Kilometern machen wir immer wieder kurze Pausen. Wenn ich mich mal 5 Minuten hin setze, lassen die Schmerzen sofort nach. Wenn das so geht? – wir haben ja Zeit (so denke ich noch).
Ponte de Tábuas
In der Nähe der Ortschaft Balugães überqueren wir die Ponte de Tábuas. Die kleine Brücke überspannt den Fluss Neiva und wurde bereits 1135 schriftlich erwähnt. Sie bestand ursprünglich aus Holz und entstand in der heutigen Form aus Steinen in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. Schon weit vor der Brücke hört man das Rauschen des Wassers, welches hinter ihr über ein Wehr stürzt. Na das ist doch mal ein schönes Fotomotiv und für mich wieder eine willkommene Gelegenheit eine kurze Pause einzulegen. Es geht mir mittlerweile etwas besser. So gut, dass ich mich in Balugães sogar zur allgemeinen Erheiterung auf ein am Wegesrand stehendes Trimm – Dich – Gerät wage und los strample. Als ob der Weg nicht schon lang genug wäre…
Casa Fernanda
Eigentlich wollen wir heute bis nach
Vitorino dos Piães gehen. Dort soll es eine Herberge geben. So richtig sicher bin ich mir aber nicht. Vor dem eigentlichen Ort erreichen wir die Casa Fernanda. Fast gehe ich vorbei, denke mir aber, dass ich mich sicher ärgern werde, wenn ich da nicht mal rein schaue. Denn ich habe schon viel gutes von dieser Unterkunft gelesen. Der Eingang durch den Garten führt über einen Trampelpfad zum Haus. Dort begrüßt uns die Hausherrin mit netten Worten aber einer nicht so schönen Nachricht. Denn ihre Unterkunft ist leider voll belegt. Erst heute Morgen hat noch ein Paar aus Polen bei ihr angerufen und reserviert. Ja schade, denke ich und so trollen wir uns wieder. Bis zum Dorf Vitorino dos Piães, dessen Ansicht die Igreja Santo André dominiert, sind es nur noch wenige hundert Meter. Auf einer breiten Allee gehen wir auf die Kirche zu. Sie scheint sehr bedeutend, ist jedoch leider verschlossen. Also keine Kultur heute! Tun wir was fürs leibliche Wohl! Ein Blick auf die Karte zeigt an, dass sich hier im Ort eine Bar befindet. Wir biegen um die Ecke und sehen in einiger Entfernung zwei Gestalten auf der Straße stehen und winken. Es sind Jürgen und Marion, die die Bar natürlich bereits gefunden haben. Endlich wieder sitzen! “Gibt es denn hier noch eine Herberge? Vorne stand ja ein Schild.” rufe ich.
Vitorino dos Piães
Die Leute in der Bar können auch keine nähere Auskunft geben. “Na wir trinken erst mal was.” “Wie weit ist es denn noch bis Ponte de Lima?” frage ich vorsichtig. Na mindestens 12 Kilometer! Ich lasse die Ohren hängen: “Das schaffe ich heute nicht mehr”. Es ist bereits 16 Uhr. Bis zur Casa Fernanda wäre es durchaus machbar gewesen. Jetzt aber noch 12 Kilometer laufen, halte ich für ausgeschlossen. Die vielen Pausen heute haben die Tageszeit weit voran schreiten lassen. Und so tue ich etwas, was ich bisher erst einmal auf einem Pilgerweg gemacht habe. Ich entschließe mich, ein Stück des Weges zu fahren. Damals auf dem sächsischen Jakobsweg war ich mit Bruder Gustav unterwegs, als hinter Oederan sein Pilgerwagen zusammen brach. Es war ausgeschlossen, weiter zu laufen mit dem schweren Wagen auf dem Rücken. Also waren wir bis nach Chemnitz mit dem Zug gefahren. Ein Jahr später sind wir dann diese Etappe gelaufen.
Bar in Vitorino dos Piães
Heute nun ist es so: Es zu spät. Es gibt hier im Ort wahrscheinlich keine Unterkunft. Und wir sind eigentlich schon zu müde, um weiter zu laufen. Wir diskutieren noch etwas über die verschiedenen Varianten, wer mit wem weiter läuft und wer mit dem Taxi fährt. Dann fängt Jürgen an, mit den Leuten in der Bar zu reden. Er fragt, ob man hier im Ort ein Taxi bestellen kann. Zuerst reagiert niemand so recht und wir kommen uns etwas verlassen vor. Dann scheint jedoch etwas Bewegung in die Sache zu kommen. Wir sind zu fünft. Es passen nicht alle in einen PKW. Es geht also nur noch darum, wie viele mit fahren wollen und wie viele Fahrzeuge wir dafür brauchen. Der Preis ist schnell vereinbart. Wir zahlen ganze 25 Euro für die Fahrt nach Ponte de Lima. Das ist ein Schnäppchen. Der Barbesitzer fährt seinen alten Benz vor und seine Tochter ihren kleinen Twingo, in den ich einsteige. Taxifahrer sind sie beide natürlich nicht. Aber das ist uns in unserer Situation völlig Wurst. Wir sind etwa 20 Minuten unterwegs. Ich sitze bei der jungen Frau und wir versuchen auf Englisch ein kleines Gespräch anzuzetteln. Über das woher und wohin, kommen wir aber kaum hinaus. Sie hat eh alle Hände voll zu tun, am Auto ihres Vaters dran zu bleiben. Wir bedanken uns herzlich, als wir mitten im Zentrum von Ponte de Lima abgesetzt werden.
auf der Suche nach einer Unterkunft
unsere Unterkunft
Auf der Suche nach einer Unterkunft fragt Jürgen sich nun durch verschiedene Geschäfte. Es ist wieder mal ein Glück, auf seine Sprachkenntnisse zurück greifen zu können. Kurze Zeit später steigen wir in einem Stadthaus eine lange Treppe zur ersten Etage hinauf. Dort betreibt eine Familie eine einfache Pension. Es ist eine normale Wohnung und ich bin zunächst etwas skeptisch. Wir sind ja nicht anspruchsvoll aber irgendwie fühle ich mich hier nicht wohl. Nur ein Zimmer hätte sie noch, sagt uns die Dame. Das ist aber nicht hier im Haus. Sie würde es uns zeigen. Geduldig trotten wir hinter ihr her und finden uns in einer schmalen dunklen Gasse wieder. Meine Skepsis erfährt eine Steigerung. Wir steigen eine schmale Treppe hoch, betreten ein kleines renoviertes Haus und sind sehr angenehm überrascht, als wir die Tür öffnen. Es ist nicht groß aber urgemütlich und stilvoll eingerichtet. Marion, die uns gefolgt war, ist ebenfalls sofort angetan von dem Zimmer. Leider gibt es aber nur noch dieses eine Zimmer. Das bekommen wir. Während sich die drei entschließen, sich weiter auf die Suche zu machen. Wir verteilen im kleinen Zimmer unsere Sachen in der Hoffnung, dass sie dieses Mal über Nacht trocken werden. Gehen duschen und machen uns dann auf, die nette kleine Stadt zu erkunden. Hier fand am Wochenende scheinbar ein großes Volksfest statt.
die Schokoladenansicht der Stadt
Am Flussufer stehen Fahrgeschäfte und die Straße am Fluss wird von Buden gesäumt, wie man sie auf Rummelplätzen findet. Aus den Straßenlaternen dringt Fado Musik, die die gesamte Stadt erfüllt. Ich bemühe mich, die Lautsprecher zu orten, was mir aber nicht gelingen will. Das ist keine provisorische Installation. Die Lautsprecher scheinen hier immer startklar zu sein. Ich gehe hinunter zum Fluss, um die unverstellte Ansicht der “Ponte de Lima” zu fotografieren. Ponte de Lima ist die älteste Stadt Portugals und ihre Geschichte reicht bis zu den Römern zurück. Die waren es auch, die die namensgebende Brücke gebaut haben. Im 14. Jahrhundert wurde sie von König
D.Pedro I. erneuert und galt lange als einzige sichere Querung des Rio Lima.
Regenbogen über Ponte de Lima
Igreja Matriz
Im Abendlicht der untergehenden Sonne erstrahlt die Brücke in goldenen Farben, während die Stadt hinter mir unter einer schwarzen Wolkenwand liegt. Was für ein Kontrast! Sogar ein Regenbogen erscheint über der Stadt. Wenn das kein Zeichen ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass ab Morgen erst mal Schluss ist mit dem Regen. Der historische Ortskern als Ganzes steht unter Denkmalschutz. Viele Herrenhäuser und Sakralbauten schmücken die Stadt aber auch eine herrliche Platanenallee parallel zum Fluss verwöhnen mein Auge. Nachdem wir uns die Stadt zunächst von der Flussseite aus angesehen haben, wollen wir nun hinein in die Altstadt. Die Tore zur Igreja Matriz stehen offen und wir schlüpfen hinein in den großen Kirchenraum. Dort ist man noch dabei, die Figuren abzubauen, die zum Fest am Wochenende sicher in einer Prozession durch die Stadt getragen wurden. Wir haben nicht viel Zeit, uns hier umzusehen. Denn man gibt uns unmissverständlich zu verstehen, dass man die Kirche in Kürze verschließen will. Wieder am Fluss sehen wir von Weitem unsere drei Begleiter immer noch auf der Suche nach einer Unterkunft über die Brücke vom anderen Ufer kommen.
Platanenallee
Mir tut es ja etwas leid, dass sie immer noch nicht fündig geworden sind. Doch wenig später klingelt mein Telefon. Es ist Jörg, der mir mitteilt, dass sie was gefunden haben. Wir verabreden uns zum Abendessen. Das nehmen wir in einem kleinen Restaurant in der Nähe der Kirche ein. Andere Pilger sitzen bereits stimmungsvoll an einer langen Tafel. Und auch für uns schiebt der Kellner zwei Tische zusammen. Da sich Jürgen Bacalhau bestellt, nutze ich das aus, um den Trockenfisch mal von seinem Teller zu kosten. Erste Entwarnung: Meine Befürchtung wegen des Gestanks, den ich von gestern immer noch in der Nase habe, ist unbegründet. Ich weiß nicht, wie er zubereitet wird, aber es schmeckt fast wie frischer Fisch und sieht auch so aus. Das einzige, was mich stört, dass er für meinen Geschmack zu salzig ist. Nach einigen Gläsern Vinho Tinto verlassen wir weit nach 22 Uhr das Restaurant und schlendern durch die schöne beleuchtete Stadt zur Unterkunft. So hat dieser verrückte Tag, an dem ich zuerst den Pilger in mir umbringen wollte und an dem ich meine Prämisse, eigentlich alles laufen und meinen Rucksack selbst tragen zu wollen über den Haufen warf (Wofür ich mich übrigens kein wenig schäme!), doch noch einen schönen Abschluss gefunden. Und morgen werde ich weiter gehen und wieder schimpfen. Denn es wird die schwerste Etappe auf dem Caminho Portugues. Müssen wir doch über den höchsten Punkt. Wir werden diesmal nur zu dritt los gehen. Denn Jürgen und Marion fahren morgen früh die 12 Kilometer zurück nach Vitorino dos Piães, um von dort das versäumte Stück doch noch zu laufen. Ich will mein Schicksal nicht herausfordern und bin auch froh, dass Jörg ebenfalls nicht wieder zurück will. Wir wollen morgen bis Rubiães. Und das wird schwer genug.
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