von Porto nach Muxia – 2. Etappe Vila do Conde – Barcelinhos

Eigentlich könnte ich es heute ganz kurz machen und nur zwei Wörter hier hinterlassen:
Wind und Regen.
 
Aber ich glaube, da wären hier einige Mitleser nicht ganz einverstanden. Trotzdem – es war eine Katastrophen – Wanderung. Ich glaubte immer, dass unsere Etappe von Negreira nach Olveiroa im Jahr 2012 (siehe Camino Finisterre) nicht steigerungsfähig wäre – doch, das geht!!
Aber der Reihe nach….
was soll ich dazu sagen?

was soll ich dazu sagen?

Nach einer erholsamen Nacht stehen wir 7 Uhr auf. Der erste Gang noch vor der Toilette ist der zum Fenster. Der Parkplatz hinter dem Hotel ist nass. Um zu prüfen, ob es regnet, schiebe ich das Fenster zur Seite und strecke den Arm heraus. Nichts! stelle ich erfreut fest, immer noch in dem Glauben, dass der Wetterbericht mal wieder stark übertrieben hat. Hat er nicht!, um das schon mal vorweg zu nehmen. Auf den portugiesischen Wetterbericht kann man sich (leider) verlassen. Die kennen ihre Gegend hier und die Unbilden, die da auftreten können. Außerdem war der Aktionismus der Barbesitzer, die gestern Abend ihr Hab und Gut gesichert haben ja Warnung genug für uns.

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QR Code zum Track auf GPSies

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nicht schön aber nützlich

nicht schön aber nützlich

Schnell ist alles gepackt und wir treffen uns im Foyer zum fröhlichen Poncho – Reigen. Unter den mitleidigen Blicken des Personals hilft jeder reihum dem Nachbarn beim anziehen des Ponchos. Wir bedanken uns freundlich und ziehen los in die Dämmerung. Es wird hier ziemlich spät hell. Erst weit nach 8 Uhr kann man davon sprechen, dass es Tag wird. Inzwischen macht der Himmel genau das, was der Wetterbericht von ihm erwartet hat: Er öffnet seine Schleusen. Nur zwei Ecken weiter hat zum Glück bereits eine Bäckerei geöffnet. In dem Glauben, dass es nur eine Husche ist und natürlich weil wir die Gelegenheit nicht auslassen wollen zu frühstücken, gehen wir rein. Wieder diese mitleidigen Blicke…. Ich glaube, die wissen mehr.

auf dem Weg durch Vila do Conde

auf dem Weg durch Vila do Conde

Der Standard ist Toast und Milchkaffee. Außerdem ist es das einzige neben der Bierbestellung, was mir einigermaßen auf Portugiesisch über die Lippen geht. Aber jetzt schon Bier?? “Café com leite e Torradas – por favor” oder so ähnlich – Das hat man immer verstanden. Einfach “Toast” versteht man natürlich auch – oder einfach mit den Fingern zeigen…. Die Padaria ist gut besucht und die drei Damen hinter dem Tresen haben alle Hände voll zu tun. Wie in Spanien flimmert auch hier in jedem Laden mindestens ein Fernseher. Viele Portugiesen nutzen dies, um sich während ihres Frühstücks mit den neusten Nachrichten zu versorgen. Ab Nachmittag läuft dann meist Fußball. Es sind auffallend viele, die offenbar nicht zu Hause frühstücken, sondern in den Bars und Padarias, was sicherlich an den für unsere Verhältnisse sehr moderaten Preisen liegen könnte. Jürgen spricht recht gut Portugiesisch, jedenfalls so viel, dass er für uns einiges übersetzen kann. Die Nachrichten interessieren mich jedoch in keinster Weise, bis auf das Wetter vielleicht. Ich finde es sehr wohltuend, mal mehrere Wochen nichts von dem ganzen Wirrwar in der Welt zu erfahren, um hinterher festzustellen, dass auch ohne mein Zutun die Welt sich weiter dreht und Dinge passieren, die ich eh nicht hätte ändern können, selbst wenn ich es wollte. (Was einem beim Frühstück alles so einfällt…) Noch länger können wir das Frühstück aber nun wirklich nicht mehr ausdehnen. Ich dränge zum Aufbruch. Es regnet weiter ohne Unterlass. Also wieder drüber mit den Ponchos und los.

Die Holländer gestern Abend haben berichtet, dass es eine schönere und sicherere Alternative des Weges am Rio Ave entlang nach Rates gibt. Sie waren hier schon zwei mal entlang gelaufen, da sie bis zum Heimflug noch Zeit hatten. Wir gehen also zunächst nicht den Pfeilen nach, sondern erst mal zum Fluss hinunter. Eine Kennzeichnung habe ich leider nicht gefunden. Mir ist erst jetzt nach dem Camino bekannt geworden, dass Anne Chantal auch diese Alternative mit ihren Aufklebern gekennzeichnet hat. Es kann daran liegen, dass wir auf der falschen Straßenseite gehen oder an der Dämmerung (irgendwie wird es heute gar nicht richtig hell!) oder einfach daran, dass dicke Wassertropfen auf der Brille mir die Sicht versperren. Ich sehe alles verschwommen und deshalb nicht einen Hinweis auf diese Alternative. Also versuche ich auf meinem Smartphone, welches ich heute sicher in einer wasserdichten Plastikhülle verpackt habe, die kürzeste Strecke zurück zum Weg zu ergründen.
sehn wir nicht drollig aus?

sehn wir nicht drollig aus?

Den haben wir dann auch schnell wieder gefunden. Er führt zu unserem Leidwesen fast immer an der Straße entlang. Zu allem Überdruss kommt dann auch noch eine lange Baustelle. Man legt einen neuen Fußweg an, was ja zunächst mal begrüßenswert ist, uns aber jetzt recht wenig nutzt. Neben der Absperrung gehen wir flinken Schrittes auf dem nassen Kopfsteinpflaster der Fahrbahn, da uns ein anderer Weg nicht zur Verfügung steht. Auf dieser Straße wird nun von den portugiesischen Automobilisten alles das gezeigt, wovor uns Jürgen bereits mehrfach gewarnt hat. Die fahren auf diesem nassen Kopfsteinpflaster, wirklich was die Karre her gibt. Und dass da drei vermummte Gestalten versuchen, mit ihnen nicht in Kontakt zu kommen, scheint niemanden zu interessieren. Wasserfontänen stürzen auf uns ein und ab und zu müssen wir vor einer Absperrbake stehen bleiben, um etwas Deckung zu erhalten.
auf schmalen Kopfsteinpflasterstraßen

auf schmalen Kopfsteinpflasterstraßen

 

heute gibt es wenige Fotos

heute gibt es wenige Fotos

Ganz schlimm wird es dann, wenn wir nicht mehr ausweichen können, weil rechts und links hohe Wände dies verhindern. Das ist, als ob man durch einen Autobahntunnel ohne Standstreifen laufen muss. Ja und dann passiert es. Ich sehe etwa 20 Meter vor mir Jörg, wie er sich mit dem Rücken gegen die Wand presst, um einem Auto auszuweichen, welches genau auf ihn zu rast. Das gelingt natürlich wegen des Rucksacks nur teilweise. Von vorn auf ihn zu kommt ein schwarzer Corsa mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit, drinnen eine junge Frau mit Handy am Ohr. Jörgs rechter Arm fliegt nach hinten und etwas schwarzes durch die Luft. Das war mal der rechte Außenspiegel des Corsa. Ich brülle das Auto an und mache mit der flachen rechten Hand kreisende Bewegungen vor meiner Stirn. Doch all das geht so schnell. Ich glaube kaum, dass die Dame das mitbekommen hat. Wie auch, bei diesem Tempo, dieser Sicht und im Telefongespräch vertieft. Ich sehe ihr nach und bemerke ihre Bremslichter. Sie schaut in einen der verbliebenen Rückspiegel, sieht, dass Jörg noch steht und gibt wieder Gas. Alles läuft vor einem ab wie ein Film. Besorgt gehe ich zu Jörg, der sich den rechten Arm hält. Zum Glück scheint nichts gebrochen zu sein. “Das wird blau!” sage ich. Und er: “Haste das jesehn ??”

Ich warne hier ausdrücklich vor diesem Weg. Und diese Warnung gehört auch in die Pilgerführer. Diese Variante ist an einigen Stellen lebensgefährlich!
von allen Seiten Wasser

von allen Seiten Wasser

Wir sind nun noch vorsichtiger und gehen bei Rechtskurven auf der linken und bei Linkskurven auf der rechten Straßenseite. So hat man wenigstens Sicht darauf, was da auf einen zukommt, läuft aber Gefahr, beim Überqueren der Straße überfahren zu werden. Gibt es hier überhaupt ne Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb von Ortschaften? Frage ich mich, obwohl das ja eigentlich sinnlos wäre. Denn ein Ort scheint hier in den anderen über zu gehen und Ortsein- oder Ausgangsschilder sind eine Seltenheit. Eine andere Frage bleibt offen: Wer würde sich hier wohl daran halten? So hangeln wir uns voran bis nach Rates. Jürgen ist meist weit vorn weg. Er mit seinen langen Beinen hat ne andere “Übersetzung”. Mir tut es wieder leid, dass er laufend warten muss. Und obwohl abgemacht ist, dass jeder “sein” Tempo läuft, versucht man unweigerlich dran zu bleiben und geht so die Gefahr ein, seinen Körper zu überlasten.
in einer Bar in Rates

in einer Bar in Rates

Um das zu verhindern und weil gerade der kleine Hunger kommt, sind wir in Rates nun erst mal auf der Suche nach einer offenen Bar. Wir müssen auch unbedingt mal aus den nassen Klamotten raus und vor allem aus den Schuhen. In meinen Schuhen hat sich ein kleiner See gebildet und ich habe Angst, eine Blase wegen der aufgeweichten Haut an den Fußsohlen zu bekommen. Die Schuhe selbst sind dicht. Das Problem ist die triefend nasse Hose. Das Wasser läuft vom Poncho auf die Hosenbeine und hat es nicht weit bis zu den Schuhen. Oberhalb des Schuhrandes bilden sich kleine Seen auf den Hosenbeinen, die eng an den Beinen kleben und dort sickert das Wasser langsam durch.
nass aber glücklich

nass aber glücklich

Die Socken, die ja eigentlich die Feuchtigkeit aus den Schuhen transportieren sollen, wirken nun wie ein Docht. Da hilft die teuerste Ausrüstung nichts. Bei diesen Bedingungen bleibt niemand ganz trocken. Etwas abseits vom Weg sehen wir eine offene Bar. Wir ziehen unsere nassen Klamotten lieber draußen auf der überdachten Terrasse aus, auch die Schuhe. Aus diesen stürzt das Wasser in Bächen auf den Fußboden. Auch die Socken hinterlassen nach dem auswringen große Pfützen auf der Terrasse. Auf dem Fußboden in der Bar hinterlassen wir mit unseren Socken dunkle Fußabdrücke. Wir sind nicht die einzigen Pilger hier und haben richtig Glück, noch einen freien Tisch zu ergattern. Alle blicken nicht gerade fröhlich in die Runde und wir sehen sicher auch nicht gerade glücklich aus. Das Wetter schlägt allen auf´s Gemüt. Da kann man noch so ein positiver Mensch sein. Wir essen irgend ein Gebäck, welches fürchterlich krümelt und trinken Kaffee oder Cola. Auch hier müssen wir uns regelrecht aufraffen wieder los zu gehen, raus in den Regen. Keinen Hund würde man bei solch einem Wetter vor die Türe schicken. Ein Hoch auf unsere Motivation!
der Kampf mit den Elementen

der Kampf mit den Elementen

Es ist ekelig, in die nassen Schuhe schlüpfen zu müssen. Die ersten Schritte fühlen sich an, als laufe man auf nassen Schwämmen. Das schlürfende Geräusch sollte man eigentlich auch deutlich hören können. Jörg hat mir seine Gamaschen gegeben, so dass nun nicht noch mehr Wasser von oben in die Schuhe sickert. Zum Glück verlassen wir hier in Rates für einige Zeit die Straße. Doch während wir dort mit dem Straßenverkehr und dem Katzenkopfpflaster kämpften, übernimmt hier der Schlamm und das Wasser die Rolle unserer Gegner. Wir laufen Slalom um wahre Ozeane und springen über reißende Bäche, die sich den gleichen Weg gesucht haben wie wir. Von den angrenzenden Weiden und Feldern stürzen braune Wasserfälle auf den Weg. An einer Wegkreuzung passiert es dann: Ich springe als erster von Stein zu Stein, sumpfe am Rand des Sees jedoch bis weit über die Knöchel ein. Jörg sucht ein paar weitere große Steine und wirft sie in die braune Brühe. Nur ganz wenig schauen sie aus dem Wasser. Jörg balanciert drüber, Andrea hält ihren Stock hin, damit Jörg sie etwas stützen kann. Erster Fuß auf ersten Stein, zweiter Fuß auf zweiten Stein, dieser kippelt gefährlich und Andrea fängt auf der Suche nach Halt an, mit den Armen zu rudern. Ihr könnt euch denken, was dann folgt: Mit einem Platsch liegt sie rücklings in der tiefen Pfütze. Die Arme und Beine sind völlig verdreht. Trotzdem schafft sie es irgendwie ganz schnell wieder auf die Beine zu kommen, noch ehe ich zu Hilfe eilen kann. Jörg zieht sie mit dem Knüppel aus dem Schlamm. “Hast du dir was getan?” Das Gesicht spricht bände…. “Nee, weh tut nüschd!” Ich sehe ihr aber an, dass sie die Nase eigentlich voll hat.
es kann nicht mehr weit sein

es kann nicht mehr weit sein

In dieser Situation ist es dann mal gut, dass es so stark regnet. Der Schlamm ist relativ schnell runter von den Sachen. Aber in ihrer Hose hätte ich jetzt nicht stecken wollen, obwohl meine auch nicht viel trockener ist. Hinterher lacht man drüber und ich traue mich in Erwartung eines Schlages auf den Hinterkopf sogar zu sagen, dass ich mich ärgere, dass ich gerade da mal die Kamera nicht in der Hand hatte. Die meisten Fotos von heute stammen eh von Jörgs Handy. Seine wasserdichte Hülle ist einfach besser. Auch einige Videosequenzen gibt es. Irgend wann muss ich das mal zusammen schneiden. Etwa 5 Kilometer vor Barcelos beschließen wir uns zu trennen (nicht Andrea und ich!). Jörg und Jürgen wollen eh in ein Hotel in Barcelos. Wir bevorzugen die Herbergen und das nicht nur aus finanziellen Gründen. Man kommt einfach mehr ins Gespräch mit anderen Pilgern. Ist man in der Gruppe, hat man miteinander genug zu bequatschen, was ja grundsätzlich schön ist. Da bleiben jedoch Kontakte mit “Fremden” oberflächlich oder ganz aus.
Rast im Buswartehäuschen

Rast im Buswartehäuschen

Also bleiben wir in einem Buswartehäuschen erst mal sitzen. Ich habe eh wieder Schmerzen in der Brust und brauche ne Pause. Andrea holt ihre Zigaretten raus und zeigt mir die Reste davon – alles restlos aufgeweicht. Selbst die “Wasserdichten” (Leute, die in der DDR aufgewachsen sind, besitzen hier Insiderwissen) hätten das nicht überstanden. Nur noch ne kurze Anstrengung und wir sind in Bacelinhos. Das liegt kurz vor Barcelos. Nur der Rio Cavado trennt die beiden Orte. Wir haben uns im Voraus bereits auf die Herberege “Amigos da Montanha Barcelinhos” geeinigt. Sie befindet sich kurz vor der Brücke über den Rio Cavado, rechts in einer kleinen Seitenstraße. Sie präsentiert sich uns als sehr moderner Bau mit viel Glas in der Fassade. Draußen an der Tür des großzügig verglasten Bau´s befindet sich eine Sprechanlage. Ich drücke auf einen der Knöpfe, worauf sich eine Frauenstimme meldet. Irgendwie mache ich ihr in meinem Kauderwelsch klar, dass hier vor der Herberge zwei nasse Pilger stehen, die ein Bett suchen.
Herberge Amigos da Montanha

Herberge Amigos da Montanha

Kurze Zeit später wird uns geöffnet und wir werden in die obere Etage gebracht, wo uns zwei der Betten zugewiesen werden. An Hand der vielen Klamotten, die hier bereits rumliegen, sehen wir, dass die Herberge bereits gut besucht ist. Erst mal die nassen Schuhe aus und in was Trockenes, sprechen wir uns ab. Dann gehen wir nach unten in einen Gemeinschaftsraum, in dem wir ein paar große Tische mit Stühlen, eine Sitzecke, eine Küche (voll ausgestattet!) und das Büro der Hospitalera in Form eines kleinen Tisches mit Computer (kostenloses Internet) finden. Wir verstehen fast alles was sie uns versucht über die Herberge zu sagen, auch das mit dem Kennwort, dass wir nennen sollen, wenn wir die Herberge verlassen und anschließend wieder Einlass begehren. Finde ich gar nicht so unklug. So muss sie nicht dauernd zur Tür gehen, wenn es klingelt und kann sie von hier öffnen. Nein! Ich werde das Passwort hier nicht veröffentlichen!! Kurze Zeit später sind die Formalitäten erledigt und die neuen Stempel im Pilgerpass.
der Trockenplatz

der Trockenplatz

Eigentlich könnten wir hier kochen. Es ist alles da, was man dazu braucht. Aber zuerst müssen wir mal sehen, wie wir unsere Klamotten, vor allem die Schuhe bis morgen wieder trocken bekommen. Das junge Mädchen, welches hier aushilft, versteht sofort, was ich vor habe, als ich nach Zeitungen frage. Kurze Zeit später liegt ein ganzer Stapel vor mir und ich beginne sie zu zerknüllen und unsere Schuhe damit voll zu stopfen, nachdem ich die Einlegesohlen raus genommen habe. Diese verpacke ich separat. Ruck Zuck ist die Zeitung aber wieder nass und ich kann die Prozedur gleich wiederholen. Mit den Sachen sieht es da schon etwas schwieriger aus. In einem Durchgang zum Hof stehen lediglich zwei Wäschetrockner, die unter der Last der nassen Pilgerklamotten fast zusammen brechen. Denn wir sind, wie ich schon bemerkte, alles andere als allein in der Herberge. Und die anderen waren wieder mal schneller, sind zu unserer Entschuldigung aber (wie wir später erfahren) auch nicht so weit gelaufen bei dem Sauwetter. Irgendwie schiebe ich überall etwas zusammen auf den Trocknern und gewinne so genügend Platz für unsere Sachen. Ob sie allerdings bis morgen trocken werden, bezweifle ich etwas. Es herrscht zwar Durchzug in dem Durchgang aber mit einer fast 100 prozentigen Luftfeuchtigkeit. Na wir werden sehen, “nützd doch nüschd!”.
irgendwie muss alle bis morgen wieder trocken sein

irgendwie muss alle bis morgen wieder trocken sein

Nach der Dusche mache ich mich in meinen Strandsandalen an den nackten Füßen auf die Suche nach etwas Essbarem. Um die Ecke soll gleich ein kleiner Laden sein. Als sich zwei junge Pilgerinnen aus Deutschland zum gleichen Zweck aufmachen, hänge ich mich gleich mal dran. Vielleicht wissen die schon mehr. In meinen Sandalen habe ich Mühe ihnen zu folgen. Die leichten Sandalen sind eben für den Strand und für trockenes Wetter gemacht, haben keinerlei Profil und ich muss aufpassen, dass ich nicht auf die Nase falle. Als ich den kleinen Laden betrete, dessen Fußboden im vorderen Bereich von den vielen Kunden natürlich ziemlich nass ist, geschieht es dann. Fast hätte ich einen Spagat hingelegt. Na das hätte ausgesehen, wenn der Dicke da am Boden liegt mit weit gespreizten Beinen. So kann ich mich gerade so an einem Regal festklammern und es entweicht mir unbewusst ein lautes “Hoppala!”. Nun bin ich natürlich die Nummer Eins im Laden. Alle schauen zu mir. Gugge da, der mit dem “Hoppala”! hättn se Heeme jesachd. So können sich einige ein Grinsen nicht verkneifen. Und ich muss auch lachen.
die Herberge

die Herberge

Wenn es nicht regnen würde, wäre ich jetzt sofort wieder geflüchtet und würde eine andere Einkaufsmöglichkeit suchen. Dies jedoch nicht wegen des “Hoppala”, sondern weil mir ein bestialischer Gestank aus dem Laden entgegen schlägt. Ganz schnell habe ich den Verursacher des Gestanks ermittelt: Stockfisch! Der liegt hier in riesengroßen Stücken neben dem Tresen. Bacalhau, wie der Stockfisch hier heißt, ist in Portugal eine Art Grundnahrungsmittel und wird in fast jedem Restaurant angeboten. Zubereitet mag das ja schmecken und ich hoffe, dass es dann auch nicht mehr so stinkt. Denn irgend wann werde ich ihn mal probieren. Schnell habe ich mich jedoch an den Geruch gewöhnt. Ich schleiche um die eng – sehr, sehr eng gestellten Regale, um mir einen Überblick zu verschaffen. Das Angebot ist na sagen wir mal – übersichtlich. Ich entscheide mich kurzerhand heute nicht zu kochen, da ich im Moment keine Nudeln finden kann. Vielleicht bin ich auch nur zu faul dazu… Es gibt genügend Obst und Gemüse. Die Brötchen habe ich dann auch irgend wann hinter der Kasse und dem dicken Verkäufer gefunden. Wasser ist noch wichtig und natürlich ne Flasche von dem Roten. Ich greife einfach rein ins Regal nach einer Flasche mit schönem Etikett. Später stelle ich fest – ein goldener Griff. Wasser aus der Flasche ist hier angebracht. Denn hier wird das Leitungswasser noch intensiver gechlort als in Spanien. Mit ner großen Tüte mit Semmeln, Tomaten, Butter und Weintrauben in der einen und dem Wein und dem Wasser in der anderen Hand beginne ich den Eiertanz durch den Regen zurück zur Herberge. Jaaa, es klappt – ich klingle, sage mein Passwort und wie von Zauberhand wir mir aufgetan.
unser spartanisches Abendessen

unser spartanisches Abendessen

In der Küche herrscht schon reges Treiben. Ein junger Portugiese, den glaube ich nicht nur wegen seiner Kochkünste die beiden Mädels aus Deutschland umschwärmen, werkelt am Herd. Am Ende entsteht ein richtiges Menü. Ich habe Mühe, das nette Angebot auszuschlagen, auch etwas davon zu essen. Uns genügen heute die Tomaten, die Weintrauben und der Wein. Ach ja, ein paar Gehacktesklopse (Buletten, Frikadellen oder wie man auch immer in den verschiedensten Ecken von Deutschland dazu sagt) von zu Hause sind auch noch an Bord. Die müssen heute weg. Als Pilger ist man genügsam, was der Verringerung meines Bauchumfangs sehr zu Gute kommt.
Es ist ein buntes Gemisch, was hier an der zusammen gestellten großen Tafel sitzt. Und ein buntes Stimmengewirr erfüllt den Raum. Da sind Holländer, Kanadier, Rumänen, Italiener, Portugiesen und Deutsche. Und irgendwie verstehen sich alle. Es ist wie ein Wunder, was alles möglich ist, wenn alle die gleiche Leidenschaft und das gleiche Ziel verbindet. Wenn es doch immer so wäre. Alle auf den Camino! und in der Welt würde einiges anders aussehen. Ja und genau so mag ich das und deshalb bevorzuge ich die Herbergen. Da nimmt man auch gern mal etwas weniger Komfort in Kauf. Womit ich aber keinesfalls sagen will, dass das alle so machen sollten. Jeder muss so mit dem Weg glücklich werden, wie es ihm beliebt. Das muss jeder für sich selbst heraus finden, was ihm entgegenkommt und was ihm nützt. Ich kann dazu nur sagen, in einer Gesellschaft, wo wir im Überfluss leben, ist es auch mal gut die Erfahrung zu machen, dass man mit sehr wenig auskommen kann und trotzdem glücklich ist. Auch um solche Themen geht es am Tisch.
Der Abend wird lang. Wir schauen uns noch Fotos von den Azoren im Internet an, die uns der junge Koch voller Stolz auf seine Heimat zeigt. Und wir sind uns einig: Da müssen wir unbedingt mal hin. Die Natur auf den Inseln mitten im Atlantik ist phantastisch, leider aber auch sehr oft genau so feucht wie hier und heute. Das Wetter von heute ist jedoch an diesem schönen Abend fast vergessen. Nur die Trockengestelle, die wir durch die großen Glastüren draußen sehen, fallen immer wieder um und wir müssen sie immer wieder aufstellen. Ich schlafe mit den Gedanken an morgen ein:
Hoffentlich wird das Wetter besser!
Gute Nacht!

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