Hier der GPS Track der heutigen Etappe: Klick
Heute trennen sich unsere Wege. Denn Marion und Jürgen wollen durchlaufen bis Pontevedra. Das sind immerhin fast 37 Kilometer. Beide sind eh schneller als wir und Jürgen sitzt die Zeit etwas im Nacken. Er will nach dem Portugues auch noch den Camino Ingles laufen. Wir wollen uns heute mit den 16,5 Kilometern bis Redondela begnügen, zudem wir wegen der kurzen Taxieinlage nach Ponte de Lima ja einen Tag vor unserem Plan liegen. Ich will es auch nicht herausfordern. Denn seit zwei Tagen läuft es richtig gut bei mir. Es ist noch ziemlich dunkel heute Morgen, was natürlich an der Zeitumstellung liegt. Wir sind immerhin eine Stunde früher dran. Das Hotel, in dem Jörg übernachtet hat ist nicht weit weg. Und wir müssen zum Glück nicht lange warten, bis er erscheint. Dass er meist einige Minuten später kommt, daran haben wir uns lange gewöhnt. Heute jedoch ist er überpünktlich. Im Zentrum von O Porriño weist uns ein Straßenkehrer den richtigen Weg. Ich wundere mich etwas über ihn. Denn heute ist Sonntag. Und da ist es schon erstaunlich, wie viele Leute so früh am Morgen bereits für Ordnung sorgen. Ein Stück weiter brennt Licht in einem Kaffee. Jaaa! Ist offen!! Nichts wie rein! Na gucke, wer da noch auf die gleiche Idee gekommen ist. Im Kaffee sitzen bereits Marion und Jürgen. Die wollten ja zeitiger los, wegen der weiteren Strecke. Weit sind sie jedoch noch nicht gekommen. Nutze die Gelegenheit!, sage ich nur…
Wir verabschieden uns nach ihrem Frühstück ein zweites Mal von ihnen und machen uns nach ner weiteren Viertelstunde ebenfalls auf den Weg. Der führt uns zunächst entlang der Hauptstraße aus dem Ort. Diese ist zum Glück um diese Zeit nicht sehr befahren. Wie gesagt, es ist Sonntag Morgen. Nach der Brücke über die Autobahn A52 und einem anschließenden Kreisverkehr zweigt der Camino jedoch recht schnell hinter dem Ortsausgang nach rechts auf eine ruhige Parallelstraße ab. Es beginnt zu dämmern. Um diese Zeit regt sich hier noch nichts in den kleinen Häusern. Etwa eine halbe Stunde später erreichen wir wieder die N550. Unterdessen ist der Verkehr etwas belebter und wir müssen uns mächtig sputen beim überqueren der Straße. Man könnte dieser nun auf der linken Seite weiter folgen. Mein Track auf dem Handy verweist uns jedoch auf ein kleines Sträßchen, welches halb links nach unten abzweigt. Trotz der darauf folgenden nicht ganz ungefährlichen Überquerung der Bahngleise auf einem ungesicherten Übergang, ist dies wohl die bessere Variante. Vor allem, wenn auf der Nationalstraße Hochbetrieb herrscht.
Der weitere Weg bis nach Mos führt uns über kleine Asphaltstraßen durch Vorstadtsiedlungen und Gewerbegebiete. Ab und zu begegnen uns Fahrzeuge auf der sehr schmalen und unübersichtlichen Straße. Da muss man etwas aufpassen. In Mos angekommen sehen wir, dass die Iglesia Santa Eulalia offen ist. Wir gehen hinein und lassen uns einen Stempel in den Pilgerpass drücken. Der nette Herr in der Kirche bedankt sich für unsere Spende mit einem kurzen Glockengeläut. Wenig später läutet es wieder. Ich drehe mich um und sehe, wie weitere Pilger das Kirchlein verlassen. Vom Kirchplatz aus steigt der Weg etwas an und nach etwa 100 Metern sehen wir gegenüber der Pilgerherberge auf der rechten Straßenseite eine offene Bar. Genau der richtige Zeitpunkt für ein zweites Frühstück! Diesen Gedanken hatten zuvor auch Marion und Jürgen. Und so verabschieden wir uns nun abermals, als die beiden aufbrechen. Mich erinnert das sofort an Francois aus Belgien, dem wir 2011 auf dem Camino Frances begegnet sind. In Molinaseca, also fast 200 Kilometer vor Santiago lernten wir uns kennen und haben uns bis nach Santiago fast täglich voneinander verabschiedet. In Santiago saßen wir dann am Nachmittag in einem Kaffee genau vor dem Haus, in dem er abgestiegen war. Wir hatten also wieder einen (diesmal letzten) Grund uns zu verabschieden.
Ja, so ist das auf so einem Weg. Man trifft auf Menschen, deren Begleitung besonders nachhaltig wirkt. Denn mit Francois haben wir bis heute Kontakt. So geht es uns auch mit Jürgen, den wir nun schon 3 Jahre kennen. Und ich bin mir sicher, dass wir auch Marion irgendwann wieder sehen. Heute, so bin ich mir allerdings sicher, wird das bestimmt nicht noch einmal geschehen. Die beiden sind ziemlich eilig los gestürmt, haben wir sie doch nun schon zum zweiten Mal eingeholt. Jörg und Andrea kaufen sich, als wir nach einiger Zeit ebenfalls aufbrechen ein Eis auf die Hand. Können es aber kaum genießen, da der folgende Weg sehr steil und lang ist. Schnaufen und gleichzeitig am Eis schlecken geht also nicht sonderlich gut. Fast 20 Minuten brauchen wir bis nach oben. Da ist dann auch das Eis endlich alle.
Ein junger Mann steht vor uns und bittet uns mit einer Geste hinein. Zwei Etagen weiter oben fragt er uns, wo wir her kommen. “Alleman” entgegne ich ihm. Worauf er uns in gebrochenem Deutsch mit unverkennbar Schweizer Dialekt bittet, ihm zu folgen. Er bringt uns drei in ein kleines Zimmer mit zwei Stockbetten. Die Fliesen auf dem Fußboden sind noch nass. Die Putzkolonne scheint also gerade raus zu sein. Nun ja, nach dem kurzen Weg heute, es ist gerade mal 13 Uhr. Uns gefällt die Herberge ausgesprochen gut. Zudem haben wir das Zimmer für uns allein und die Betten sind frisch bezogen. Die Schlafsäcke können also in dieser Nacht mal im Rucksack verbleiben. Nicht im Rucksack können wir dagegen unsere Schmutzwäsche lassen. Wir haben in O Porriño zwar wenigstens die Handtücher und die Unterwäsche gewaschen. Aber der Rest fängt langsam an zu müffeln. Im schmalen und dunklen Hinterhof gibt es eines dieser hier typischen Handwaschbecken mit angegossenem Waschbrett. Ein benutzbarer Gartenschlauch hängt auch in der Nähe rum. Ein paar Stufen höher im angrenzenden Garten scheint die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Da haben wir die Chance, dass die Wäsche nach dem waschen auch noch trocken wird. Also rubbeln wir auf dem Waschbottich alles mal mit Waschpaste und kaltem Wasser durch. Ich lasse mich dabei von Andrea filmen als Beweis, dass das wirklich jeder selbst mit seinen Klamotten macht. Das hatten wir mal vor dem ersten Camino so ausgemacht. Und bis auf wenige Ausnahmen habe ich mich auch daran gehalten, obwohl ich Wäsche waschen sicher nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zähle. Zum Glück muss ich hier nicht bügeln!!
Im Garten entdecke ich eine bunte Hängematte zwischen zwei mickrigen Bäumen. Ob die mich wohl aushalten? Was soll´s – und schon liege ich in der Matte, obwohl Andrea als sie mein Vorhaben bemerkt, auch gleich ihre Bedenken wegen der dünnen Bäumchen anmeldet. Doch die Bäume erweisen sich als zäher als zunächst befürchtet. Tapfer halten sie meinem Gewicht Stand, so dass unter meinem Hintern gerade noch ein paar wenige Zentimeter Luft über dem Boden bleiben. Sanft schaukle ich mich in den Schlaf. Einzig einige Fliegen, die mir um die Nase summen verhindern, dass ich fest einschlafe. Immer wieder werde ich auch durch mein eigenes Schnarchen geweckt.
Jörg ist begeisterter Formel Eins Fan. Heute ist Sonn- und Renntag. Er sitzt mit dem Hospitalero im Gemeinschaftsraum und schaut sich das Rennen an. Deshalb beschließen wir, erst mal allein in die Stadt zu gehen, um etwas zu essen zu suchen. Lange müssen wir nicht schauen. Gleich am Ende der Gasse gibt es an einem Platz mehrere Bars. Ohne lange zu überlegen setzen wir uns in die erst beste. Leider ist es zwar die erste aber eben nicht die beste. Dem Wirt scheint irgend eine Laus über die Leber gelaufen zu sein. Zum Lachen geht der wahrscheinlich in den Keller. Doch nicht nur das – er würdigt uns keines Blickes. Wir sitzen erst mal da wie bestellt und nicht abgeholt. Ich bin wild entschlossen, wieder aufzustehen. Da erbarmt sich
unser die Chefin des Hauses. Diese ist nun wieder etwas übertrieben freundlich. Hier stimmt doch etwas nicht! Überall in Spanien bin ich bisher sehr gut bewirtet worden. Gespannt sind wir beide nun auf das bestellte Essen. Das lässt verhältnismäßig lange auf sich warten. Mein Urteil? Ich fasse es mal mit “na ja” zusammen. Es wäre besser gewesen, wenn ich wieder aufgestanden wäre. Wir scheinen gerade die Leidtragenden eines ausgewachsenen Ehekrachs zu werden. Der Mann vergräbt sich hinter dem Tresen – Bier trinkend und Zeitung lesend, während die Frau weinend aus der Bar läuft. Jörg, der nun dazu kommt, ist vor gewarnt und vermeidet eine Essenbestellung. Er als Vegetarier hätte hier wohl sowieso Probleme bekommen. Die Sache entspannt sich etwas, als der kleine Sohn der Barbesitzer mit der Verwandschaft auftaucht. Die Chefin zumindest ist wieder fröhlich, während er immer noch mit versteinertem Gesicht in der Türe steht und ins Leere blickt. Mann – hier kannste Sozialstudien machen.
Im Park gibt es viele Spaziergänger und es sieht wie überall an einem Sonntag Nachmittag aus. Da flanieren die alten Damen von Kaffee zu Kaffee, die Jungen stehen an der Ecke und schauen den Mädchen hinterher, die gesehen werden wollen. Da gibt es junge Familien, die von den Kindern motiviert aus der Siesta gerissen wurden und ältere Männer sitzen vor den Bars und spielen Karten. Friedlicher kann diese Stimmung nicht rüber kommen – und dann wieder dieses Rumpeln von oben – das hat diese Stadt nicht verdient! Ein langer Güterzug poltert über das Viadukt aus Stahl. Er scheint fast durch die oberen Stockwerke der Wohnhäuser zu fahren. Wie kann man sowas auf Dauer nur aushalten??
Ach ja, ne Überraschung gibt es dann auch noch. Marion hat sich gemeldet. Sie wird morgen in Pontevedra auf uns warten.