Es ist die einzige Etappe bei der man auf dem gleichen Weg aus dem Ort geht, wie man in ihn hinein gegangen ist. Und so trotteten wir wieder gegen 8 Uhr durch Wesenberg. Die Nacht hatte das gehalten, was die provisorischen Nachlager versprochen hatten. Und so richtig wach waren wir heute noch nicht. Es hätte zwar die Möglichkeit gegeben, beim Bäcker, der gerade rüber vom Pfarrhaus sein Geschäft schon 7 Uhr offen hatte zu frühstücken. Aber im Rucksack hätten wir dann wieder viele alternde Lebensmittel mitgeschleppt, die dadurch ja auch nicht besser würden. Und so knabberten wir lieber unsere Semmeln vom Vortag und ich hatte noch zwei als Wegzehrung geschmiert. Spätestens in Neustrelitz gibt es ja genügend Möglichkeiten, den Vorrat an Proviant wieder aufzufüllen.
Hier der Weg, wie wir ihn wirklich gelaufen sind. Der Link zum GPS Track der gesamten Westvariante, der zugehörige QR Code und ein Google Earth Überflug befinden sich unter dem Beitrag zur achten Etappe.
Mann war das heute warm! Das merkte man schon am Morgen, dass die kühlen Tage vorbei waren. Bereits gestern auf der Etappe nach Wesenberg war es deutlich wärmer als auf den bisherigen Etappen. Doch wollen wir uns mal nicht beschweren. Bisher hatten wir tüchtiges Glück mit dem Wetter. Und wir hatten nur ein mal die Regenjacken gebraucht. Am südwestlichen Ende der Altstadt mussten wir uns nun rechts halten und überquerten diesmal die Bahngleise über einen anderen Bahnübergang als wir das gestern getan hatten. Danach ging es durch eine Eigenheimsiedlung recht lange und stetig bergauf in nordwestlicher Richtung aus der Stadt. Nach dem Ortsausgang war es dann nicht mehr weit bis Kleinquassow, einem Ortsteil von Wesenberg. Hier gab es wieder an der richtigen Stelle einen Wegweiser, der uns endlich von der Asphaltstraße, die wir bisher gelaufen waren, weg führte.
Ein paar Spaziergänger, die ihre Hunde Gassi führten, begegneten uns und wir hörten schon vom Waldrand her Baumaschinen lärmen. Als wir näher kamen, entdeckten wir den nagelneuen mit Betonsteinen gepflasterten Weg, an dem sich noch einige Bauarbeiter mit einer großen Rüttelplatte zu schaffen machten. “Die werden doch nicht!” Doch die haben! Mitten durchs Naturschutzgebiet (Ich glaube, es gehört sogar zum Nationalpark, der Weg heißt jedenfalls Nationalparkweg Müritz) führt nun ein Betonweg für Radfahrer. Dank an die Eurokraten in Brüssel, dass das nun möglich ist. Ein EU Paragraph schreibt nämlich vor, dass Radfernwege zu befestigen sind, wie wir von einem Anwohner erfuhren. Und da übersieht man schon mal gern den Status eines Naturschutzgebietes. Ob das die Radfahrer eigentlich wollen, hat sicher niemand gefragt. Wir als Fußgänger konnten diesem Weg jedenfalls nichts gutes abgewinnen. Wie ein Fremdkörper windet sich nun die Betonschlange durch den Wald – schrecklich!
Nach einigen Kilometern war dann aber auch dieser Weg zu Ende und wir liefen nun wieder auf einer Asphaltstraße für Fahrzeuge dem Ortsteil Großquassow entgegen. Eine Brücke führte uns wieder mal über die Steinhavel, die bereits mehrfach unseren Weg kreuzte. Schon von Fern sahen wir auf einer großen Scheune ein bewohntes Storchennest. Hier nisten seit 1938 Störche und sie waren dabei 64 mal erfolgreich und zogen dabei 162 Junge auf. Damit ist dieses Nest das beständigste im gesamten Strelitzer Land, ein Fingerzeig da wirklich viele Störche hier in dieser Gegend ihre Jungen groß ziehen. Jedoch ist das nicht vergleichbar mit der Storchenpopulation am Camino Frances. Dort haben wir manchmal bis zu 6 Storchennester an einer Kirche gesehen. Passend zur Hauptattraktion des Ortes heißt die hiesige Gaststätte natürlich auch “Storchennest“.
Und zum Glück hatte die auch bereits geöffnet. Also nutzten wir dies, um eine kleine Pause einzulegen. Der sehr nette Wirt bediente uns selbst und fragte uns nicht ohne Neugierde natürlich nach unserem Vorhaben. Wir erzählten wie immer alles über den bisherigen Weg und über das, was noch vor uns liegt. Mit großem Interesse hörte er uns zu. Und vielleicht haben wir auch einige Vorbehalte oder Vorurteile gegenüber Pilgern ausgeräumt. Pilger und vor allem Pilgerherbergen werden, wie wir öfter hörten, bei einigen die am Weg wohnen, als Konkurrenz zu ihrem Geschäft gesehen, was auch viele mutwillige Zerstörungen der Wegzeichen erklären würde. Man trifft auf die Meinung, das der Pilger nur eine billige Möglichkeit sucht, hier seinen Urlaub zu verbringen. Es ist sicher verständlich, dass ein Vermieter von Privatzimmern oder ein Betreiber einer Landpension wie diese hier in Groß Quassow, froh über jedes belegte Bett ist. Uns so klagte uns der hiesige Wirt auch sein Leid und schilderte uns seine Mühen, die Pension und das Restaurant am Leben zu erhalten. Wir erzählten ihm vom Sinn und Anliegen des Pilgerns und von unserem Unverständnis über die Kritiker und deren Kurzsichtigkeit. Denn jeder Pilger hat Bekannte oder Verwandte, denen er von der herrlichen Gegend und den Menschen erzählt und Fotos mitbringt. Oder er schreibt wir ich in so einem Blog, der vielen zugänglich ist. Und da nicht jeder dem Pilgern und allen damit verbundenen Entsagungen etwas abgewinnen kann, ist dies eine unbezahlbare Werbung für die Region aus erster Hand. Ja und bei den bisherigen Pilgerzahlen kann man wohl kaum von einer ernst zu nehmenden Konkurrenz sprechen. Unsere Erfahrungen in Spanien zeigen außerdem, dass gerade in strukturschwachen Regionen ein Pilgerweg ein wertvoller Wirtschaftsmotor sein kann. Viele Orte Kastiliens am Weg würden ohne den Camino längst verlassene Geisterdörfer sein. Mecklenburg Vorpommern gilt in Deutschland ebenfalls als eine strukturschwache Region. Und dieser neue Pilgerweg ist eine Möglichkeit von vielen, den Tourismus hier weiter zu beleben. Das dies gelingt, ist dem Weg, der Region und den Menschen hier sehr zu wünschen. Besonders dort, wo es noch Lücken im Unterkunftsangebot gibt, sind auch die meisten Wegweiser zerstört. Ich denke, darin besteht ein Zusammenhang und es bedarf noch einiger Aufklärungsarbeit, um hier Vorurteile zu beseitigen.
In Groß Quassow hatten wir uns jedenfalls alle Mühe damit gegeben. Man wünschte uns einen guten Weg und wir schulterten wieder unsere Rucksäcke. Die Backsteinkirche des Ortes war leider verschlossen. Im Nachhinein kann ich, da sich das Ende meines Berichtes nähert aber schreiben, dass wir bei überraschend vielen Gotteshäusern offene Türen vorfanden. Natürlich hat man auch hier Angst vor Plünderungen oder Wandalismus. Aber dort wo sich jemand findet, der die Zeit und Möglichkeit hat, täglich auf- und zuzuschließen, wird dem Pilger eine offene Kirche präsentiert, was meiner Ansicht nach an einem Pilgerweg Normalität sein müsste.
Auf dem Weg aus dem Ort noch eine lustige Begebenheit. Wir begegneten einem “Dackelpferd”. Beide mussten wir lachen, da es aussah, als hätte jemand ein Pferd bis zu den Knien im Boden eingegraben. Bis nach Userin, dem nächsten Ort der heutigen Etappe, führt ein Weg mit gepflasterten Fahrspuren, auf denen uns auch des öfteren ein Fahrzeug begegnete. Über uns kreisten Störche und die eindringlichen Rufe von Kranichen hallten über die im grellen Sonnenlicht leuchtenden Felder. Einzig der Lärm eines Jagdflugzeuges nervte wieder beträchtlich und störte den friedlichen Gesamteindruck der Gegend.
Die Pferde auf einer Koppel vor Userin schienen an den Lärm bereits gewöhnt zu sein, zeigten sie doch keinerlei Scheu beim donnern der Strahltriebwerke im Steigflug des Militärjets. Geht man in der richtigen Richtung nach Groß Quassow aus Userin heraus, muss man gut aufpassen, denn der Wegweiser ist etwas ungünstig im Rücken des Wanderers angebracht und wird so leicht übersehen. Auch im Ort war es nicht ganz einfach, sich zu orientieren. Hält man sich aber an die Beschreibung auf der Internetseite, findet man den Weg ohne Probleme. Auch hier fanden wir wieder ein bewohntes Storchennest. Userin ist ein recht hübscher Ort mit einem großen Feriencamp am Useriner See. Etwas beschleunigt im Gehen verließen wir aber den Ort. Der Grund dafür war wieder mal ein ganz natürlicher. Ich war jedenfalls wieder mal froh, genügend Toilettenpapier mit dabei zu haben. Und weil wir schon mal beim Thema sind: Bitte nehmt Toilettenpapier mit und benutzt nur im Notfall Tempo Taschentücher. Denn diese liegen ewig in der Natur. Sie enthalten ölige Substanzen, die verhindern, dass das Papier schnell verwittert. Bei Benutzung in Toiletten führt das oft zu Verstopfung der Abflussleitungen und auch in den Klärwerken bereiten Taschentücher Probleme. Besonders an stark frequentierten Pilgerwegen stößt man an fast jeder für die Notdurft geeigneten Stelle auf diese vermeidbaren Hinterlassenschaften. So, nun aber genug zum anrüchigen Thema. Ich habe jetzt genug Aufklärungsarbeit in Sachen Naturschutz zu diesem Thema geleistet. Schön, dass wir drüber gesprochen haben!
Erleichtert ging es weiter in einen schattigen Wald hinein, der am heutigen sehr warmen Tag angenehme Kühle brachte aber auch Mücken. Wieder heraus aus dem Wald machten wir Rast bei der Prälank Siedlung, einer Ansammlung von ein paar wenigen Häusern, zu denen nicht mal eine befestigte Straße führt. “Die wohnen schön ruhig hier und idyllisch” sagte Andrea. Fügte aber im gleichen Atemzug hinzu, dass es hier im Winter oder bei schlechtem Wetter schnell schwierig werden kann. Idylle ist das eine, was einem beim ersten Blick auffällt. Der Alltag sieht dann sicher schon ganz anders aus, wenn man sich zudem an die Umgebung gewöhnt hat. Also schnell weiter, bevor wir uns dran gewöhnen. Die am Morgen geschmierten Brötchen waren auch schnell aufgegessen und so erhoben wir uns wieder von der kleinen Bank.
Der nächsten Wald ließ nicht lange auf sich warten. Und wieder mal mussten wir ganz schnell das “Anti Brumm” aus dem Rucksack holen, denn in der Nähe des Weges sah man viele sumpfige Stellen zwischen den Bäumen, die Brutstätte einer wahren Mückeninvasion. Ein paar von den Plagegeistern hatten es jedoch schon geschafft, ihr Mittagessen bei uns abzuholen. Selbst auf dem Kopf durch die Haare hatten sie zugeschlagen: Bloß nicht kratzen! Dann wird es nur noch schlimmer. Wieder in der Sonne hatten wir den Mückenschwarm endlich abgeschüttelt. Über eine kleine Asphaltstraße und einen Betonweg gehend, erreichten wir Torwitz und bogen am Ortseingang in einen von Weiden gesäumten Feldweg ein, der in einigem Abstand dem Ufer des Zierker Sees folgt.
Auf den Wiesen zwischen Weg und See tummelte sich allerhand Geflügel. Da waren Reiher, Wildgänse, Störche und natürlich auch Kraniche zu sehen. Und wir kamen ungewohnt dicht an sie heran. Die sonst sehr scheuen Vögel waren durch die Nähe zu Stadt sicher etwas zutraulicher geworden. Man konnte nämlich bereits Neustrelitz von hier aus sehen. Der markante Turm der Stadtkirche lugte zwischen den Bäumen hindurch. Einige Kilometer waren es trotzdem noch, denn noch lag der Zierker See zwischen uns und der Stadt. Den Ort Zierke, von dem der See seinen Namen hat, ließen wir links liegen. Hier waren wir vor zwei Jahren schon einmal. Hier hatten wir auch zum ersten Mal die Muschelschilder gesehen und waren unbewusst schon einmal auf diesem Pilgerweg gelaufen. Erst später erfuhren wir von dem Weg. Wie bereits geschrieben, hatten wir uns ja zuerst über die Verwendung der Muschel als Wegzeichen gewundert.
Der hübsche überdachte Steg am Zierker See, den wir kurz vor Neustrelitz erreichten und von dem man einen schönen Blick auf den See hat, war uns deshalb auch bereits bekannt. Über das Gelände der Marina der Stadt folgten wir dem Weg nun im Zickzack Kurs und standen bald am kleinen Hafenbecken. Einige Ausflugsboote hatten fest gemacht. Die Freisitze des Kaffees und des Restaurants im alten restaurierten Speicher am Hafen waren schon wieder gut besucht. Wir gingen jedoch auf die Halbinsel Helgoland. Ja, in Neustrelitz ist Helgoland eine Halbinsel. Auf dieser befindet sich auch nur ein Haus. Und das ist eine traditionsreiche Gaststätte, die wir auch schon kannten. Und wo man sich auskennt und gute Erfahrungen gemacht hat, zieht es einen wieder hin. Da die angekündigte Ankunftszeit im Borwinheim noch fern war, hatten wir noch genügend Zeit für einen Kaffee bzw. ein Bier.
Mehr aus den Augenwinkeln heraus sah ich plötzlich in einiger Entfernung einen grünen Rucksack mit Plastik Blümchen, der mir irgend wir bekannt vor kam. Ja richtig, es war die Pilgerin, die wir schon in Wokuhl trafen. Und die den Weg in uns entgegen gesetzter Richtung lief. So ein Zufall, dass wir uns nun wieder Begegnen, denn gerade in einer Stadt gibt es doch wirklich viele Wege, auf denen man aneinander vorbei gehen kann. Zur Verwunderung von Andrea und der Kellnerin, mit der wir uns gerade unterhielten, sprang ich auf, um Anne hinterher zu laufen, die sich gerade wieder der Stadt zu wandte. Sie war genau so überrascht uns wieder zu sehen wie wir. Ich lud sie zu einem Kaffee ein und wir plauderten natürlich über das zwischenzeitlich Erlebte. Dann trennten sich unsere Wege aber wieder. Wir wollten zur Unterkunft und sie hatte noch vor bis Mirow zu laufen. “Man sieht sich immer zwei Mal im Leben” sagte ich zum Abschied, in dem Bewusstsein, dass dies ja schon unser zweites Mal war. Warum aber nicht auch drei mal? Schnell schrieb ich mir noch ihre E-Mail Adresse auf.
Im Borwinheim hatten wir auf Wunsch bereits einen Tag vor unserer Ankunft angerufen und uns angemeldet. Ein weiterer Anruf wahrte uns in Sicherheit, dass man uns bereits erwartete. Ein netter Herr, dessen Name mir leider entfallen ist, empfing uns und zeigte uns unter ausschweifenden Erklärungen das riesige Haus, welches erst kürzlich nach einer aufwendigen millionenschweren Sanierung wieder eröffnet wurde. Besonders beeindruckte mich dabei der große Saal mit der eingebauten Orgel. “Vielleicht kommt auch noch unser Kantor zur Probe” sagte uns der Herr. “Das würde mich sehr freuen” meinte ich. Er kam leider nicht. Wir holten zwei Matratzen vom Speicher und machten es uns im kleinen Saal bequem. Hier gab es jede Menge Platz und wir breiteten unsere Sachen großzügig aus, um mal wieder Ordnung im Rucksack zu schaffen. Auch eine Wäsche in einer Waschmaschine wäre hier möglich gewesen. Wir hatten jedoch keinen Bedarf. Die Matratzen legten wir auf einen flauschigen Teppich, der in einer Ecke des großen Raumes lag. Und so hatten wir diesmal wieder ein sehr bequemes Nachtlager, jedenfalls kein Vergleich zur vergangenen Nacht!
Der interessante Grundriss, in dessen Zentrum der Marktplatz mit der Stadtkirche und ihrem markanten Turm und mit dem Rathaus liegt, sucht seines Gleichen. Die barocke Residenzstadt ist am Reißbrett entstanden. Acht Kerzen gerade Straßen führen in den Haupt – und Nebenhimmelsrichtungen vom Marktplatz aus der Stadt, bzw. treffen sich in deren Zentrum. Im nahen Schlossbezirk sind neben dem sehr schön angelegten Park mit dem Hebetempel und vielen Skulpturen auch die Schlosskirche, die Orangerie, der Marstall, der Carolinenstift und das Carolinenpalais zu besichtigen. Das Schoss existiert seit 1945 leider nicht mehr. Eine Konstruktion aus Baugerüsten, die mit Stoffbahnen auf denen die Fassade aufgedruckt ist bespannt sind, lässt aber die Silhouette des einstigen Schlosses wieder erstehen. Die Schlosskirche ist ein Werk des Baumeisters Friedrich Wilhelm Büttel, dessen Bauten wir nun schon in vielen anderen Orten am Weg begegneten.
Wir gingen vorbei an der in der Sonne glänzenden Strelizie aus Edelstahl, die auf einer Verkehrsinsel in der Nähe des Hafens steht. Die Ähnlichkeit des Namens der Blume und der der Stadt Neustrelitz im Wortstamm ist kein Zufall. Indirekt ist Neustrelitz der Namensgeber der Pflanze. Denn ein englischer Naturforscher benannte 1773 seine in Südafrika entdeckte Schönheit zu Ehren der englischen Königin “Strelizia Reginae”. Die damalige englische Königin war eine geborene Prinzessin Sophie Charlotte von Mecklenburg – Strelitz. Tja Reisen bildet und das wusste ich vorher auch noch nicht, hatte mir darüber aber auch irgendwie keine Gedanken gemacht. Manche würden es auch als “unnützes Wissen” bezeichnen. Unnütz könnte es nicht sein, nun noch etwas zu essen zu beschaffen. Am Hafen befindet sich eine Fischhalle. “zum Fischerhof” heißt sie und es soll angeblich frischen Fisch hier geben und man kann eine Kleinigkeit essen. Großen Hunger hatten wir nämlich nicht.
Und so genügte uns eine Fischsemmel in diesem Imbiss. Als mehr möchte ich die Einrichtung wirklich nicht bezeichnen. Der äußerliche Zustand des Etablissements entsprach in etwa der Erscheinung der Fischverkäuferin. Man hatte große Mühe, diesen Anblick beim Verzehr der Semmel aus dem Kopf zu bekommen. Der Herr, der uns im Borwinheim empfing, hatte uns eigentlich bereits gewarnt. Warum uns das nicht beim ersten Besuch hier bereits aufgefallen war? Damals hatten wir es uns in den aufgestellten Strandkörben bequem gemacht und wir fanden das recht gemütlich, darin zu sitzen, was zu trinken und auf den See zu starren. Das taten wir nun auch und sahen über einem auf dem See dahingleitenden Drachenboot einen Himmel, der immer dunkler wurde. Da zog was auf und wir mussten befürchten, heute noch nass zu werden auf dem Heimweg. Also zogen wir wieder von dannen. Das “Auf Wiedersehen” meinten wir aber nicht ganz so ernst. Das Wetter mit seinen dunklen Wolken zog vorbei und so konnten wir noch ein Weilchen draußen auf dem Hof bei einer Flasche Wein sitzen.
Vorher jedoch bekamen wir noch Besuch. Neben dem Pastor wurden wir auch dem ehemaligen Kantor des Borwinheimes am Nachmittag bereits vorgestellt. Ich weiß nicht, ob sein abendlicher Besuch ein Vorwand war, um uns, die wir die Schlüsselgewalt über das Haus hatten, zu überprüfen oder ob er wirklich Noten holen wollte wie er sagte. Bei der Schlüsselübergabe wurde uns nahe gelegt, immer gewissenhaft alles zu zu schließen, da sich bereits Einbrecher im Haus zu schaffen gemacht hatten oder Landstreicher, die sich einschließen ließen. Und so war seine Sorge um die Sicherheit des Hauses sicherlich berechtigt. Zumal er offenbar mit der Pilgerei nichts so rechtes anzufangen wusste. Fragte er doch, wie groß denn unsere Gruppe wäre. Er hatte unsere ausgebreiteten Sachen im kleinen Saal gesehen und rätselte nun, wie viele Leute das alles mitgebracht hätten. Seine zweite Frage nach unseren Fahrrädern und unsere Antwort, dass wir nur zu zweit und zu Fuß wären, machte seine Verwirrung nur noch deutlicher. Er konnte sich das wohl einfach nicht vorstellen, dass man alles was man benötigt, auf dem Rücken tragen und damit auf Hunderten von Kilometern über mehrere Wochen zurecht kommen kann. Zu seiner Entlastung muss ich sagen, ich konnte mir das vor drei Jahren auch noch nicht vorstellen.
Im Bewusstsein ganz allein in diesem großen Haus zu sein und in Erinnerung der schaurigen Berichte unseres Gastgebers, verkrochen wir uns in unseren Schlafsäcken. Die Geschichte um die Einbrecher ließ Andrea wohl nicht ganz in Ruhe und so hörte sie seltsame Geräusche in der Nacht. Ich hatte gerade meine erste Tiefschlafphase, als sie mich weckte und so versuchte ich zu ihrer Beruhigung das Geräusch zu ergründen oder wenigstens zu orten. Sicher war ich mir auch nicht aber ich konnte Andrea überzeugen, dass die Geräusche von draußen kämen. Es war unterdessen etwas Wind aufgekommen und wer weiß, was da im nahe gelegenen Supermarkthinterhof so alles rum fliegt und nicht ganz niet- und nagelfest seltsame Geräusche in die Nacht entlässt.