Hier der Weg, wie wir ihn wirklich gelaufen sind. Der Link zum GPS Track der gesamten Westvariante, der zugehörige QR Code und ein Google Earth Überflug befinden sich unter diesem Beitrag.
Aus Mirow heraus fanden wir zunächst mittels des GPS Gerätes. Lange gingen wir an einem von Birken gesäumten breiten Entwässerungsgraben entlang. Und schon fanden wir den ersten Wegweiser. Während ich bisher Fotos meist in Geh – Richtung machte, fotografierte ich nun immer öfter nach hinten, also so wie man üblicherweise den Weg sehen würde, wenn man in die richtige Richtung läuft. Über idyllische Waldwege erreichten wir bald Leussow. Man muss immer mal nach hinten sehen, um die weitere Richtung zu erkennen, in die man gehen muss. Das klingt zuerst mal merkwürdig. Aber ist logisch, wenn man bemerkt hat, dass die Wegzeichen immer so angebracht sind, dass man sie trotz ihrer geringen Größe auch schon von Weitem sieht. Also stellten wir uns vor die Wegweiser, drehten uns um 180 Grad und wussten, wo lang es weiter geht. Hinter Leussow suchten wir aber etwas länger nach einem Schild. Hier zweigten mehrere Wege ab und Andrea hatte zum Glück den richtigen erwischt. Beim zeichnen des Tracks nach der Wegbeschreibung aus dem Internet, hatte ich mich hier tüchtig geirrt und der Garmin hätte uns deshhalb in Leussow in die falsche Richtung geschickt. Sicher wären wir auch so nach Wesenberg gekommen, aber eben nicht auf dem richtigen Weg.
Am Rande eines kaum auszumachenden zugewachsenen Waldweges, in den (oder besser von dem) uns ein Muschelschild schickte, saß ich nun in einer ehemaligen Schützenmulde, machte Rast und dachte an den armen Soldaten, der dieses Loch mal graben musste. Denn ich selbst war mal in der gleichen Situation. Man hätte uns auch am Waldrand solche Löcher graben lassen können. Aber im Wald machte es den Ausbildern anscheinend viel mehr Freude uns zuzusehen, wie wir uns durch die dicken Wurzeln der Bäume stocherten. Lange her aber trotzdem noch in Erinnerung. Vieles verklärt sich nach langer Zeit und nur die schönen und lustigen Situationen aus der Armeezeit bleiben in Erinnerung. Aber diese schei… Schützenmulden blieben. Nun hatte sich die Natur um die Hinterlassenschaften zu kümmern. Und nur einige überwachsende aber noch sichtbare Vertiefungen im grünen Waldboden erinnerten noch an Früher. Der Weg durch den Wald zog sich wieder einmal in die Länge und es dauerte eine ganze Zeit, bis wir wieder die Geräusche von einer nahen Straße hörten. Das bedeutete bisher meist, das wir kurz vor dem Tagesziel sind. Denn die Organisatoren hatten (wie schon einmal geschrieben) sich auch auf dieser Etappe die Mühe gemacht, uns auf so manchen Umweg zu schicken, nur um uns der Ruhe des Waldes hemmungslos auszusetzen.
Auf dem Radweg entlang einer Straße näherten wir uns nun Wesenberg und ich staunte an einer geschlossenen Schranke nicht schlecht, als sich ein alter weinroter Schienenbus näherte, auf dem noch die Zeichen der Deutschen Reichsbahn angebracht waren. Bereits 1890 erhielt die Kleinstadt Anschluss an die Neustrelitz-Wesenberg – Mirower Eisenbahngesellschaft. Und auch heute wird die Strecke also noch betrieben. Auf dem Weg in die Stadt bemerkt man sofort den homogenen Charakter der Bebauung dieser oval unterhalb einer Burg angelegten mittelalterlichen Stadt. Viele alte Fachwerkhäuser wurden liebevoll restauriert und alles passt irgendwie zueinander.
In Mitten der Altstadt erhebt sich die gotische Stadtkirche St. Marien. Und hier ganz in der Nähe musste auch unsere heutige Unterkunft im Pfarrhaus sein. Und wirklich hatten wir das rote Backsteinhaus nach einer kleinen Ehrenrunde über den Marktplatz gefunden.
Vom ehemaligen Pastor der Gemeinde, der bereits auf gepackten Koffern saß als ich ihn erstmals kontaktierte und der jetzt eine neue Stelle in Hamburg Altona angetreten hat, bekam ich die Telefonnummer von Herrn Lömpke aus Schwarz, der sich nun um die verwaiste Stelle hier in Wesenberg kümmerte. Und dieser teilte uns telefonisch nun wiederum mit, dass im Schaukasten vor dem Pfarrhaus eine Telefonnummer angeschlagen ist. Wenn wir dort anrufen würden, käme jemand aus dem Ort, der uns einlässt. Man sieht also, ein Telefon ist auf diesem Weg sehr wichtig, sonst bekommt man ernsthafte Probleme bei der Organisation der Unterkünfte. Und wirklich hielt wenig später ein Pickup mit dem Firmenkennzeichen einer Baufirma, aus dem ein Mann in Arbeitskleidung (wie sich herausstellte der Chef der Firma) ausstieg und uns begrüßte. Er wusste bereits Bescheid und zeigte uns nun das komplett rekonstruierte Pfarrhaus.
So rustikal es von außen erschien, so modern war es im Inneren eingerichtet. Hochmoderne sanitäre Anlagen, eine voll ausgestattete Küche, neue Fenster und Türen und neues Mobiliar in den Gemeinschaftsräumen im Erdgeschoss ließen vermuten, dass hier viel Geld investiert wurde. Hier wurde geklotzt, nicht gekleckert. Nach meinem Empfinden war es aber an manchen Stellen bereits zu viel des Guten in Anbetracht des Zustandes einiger Immobilien, die wir bisher am Weg gesehen hatten. Bei der Ausstattung der Pilgerunterkunft im Obergeschoss hatte man dagegen bedauerlicher Weise etwas gespart. Ein wie es schien irgend wo übrig gebliebenes Sofa und eine altersschwache Liege neben einer alten Garderobe, die nicht an der Wand befestigt war, das war alles was wir vorfanden. Warum ich hier nicht unsere Luftmatratzen aufblies, weiß ich bis heute noch nicht. Denn die Nacht sollte zur Tortur werden. Ich hatte mich bereit erklärt, auf dem schmalen Sofa zu schlafen und Andrea hatte ihren Schlafsack auf der Liege ausgebreitet, die in der Nacht bei jeder Bewegung so heftig knarrte, dass wir beide munter wurden. Doch es steht uns nicht zu darüber weiter zu lamentieren. Wir hatten ein Dach über dem Kopf und als Pilger sollte man bereit sein, auch mit den einfachsten Verhältnissen zurecht zu kommen. Das macht ja unter anderem auch den Reiz aus, den diese Art der Fortbewegung bietet, sich für einige Zeit aus der Wohlstandsgesellschaft zu verabschieden, auf Zeit aus zu steigen, wie man so schön sagt. Doch für Aussteiger sollte uns niemand halten und deshalb nutzten wir ganz schnell die Segnungen der Neuzeit in Form einer futuristisch anmutenden Duschanlage.
Vom Staub des Weges befreit, machten wir uns nun auf zu einem Stadtrundgang durch die wirklich hübsche Stadt. Vor der wuchtigen Kirche fällt sofort eine riesige Linde auf. Sie hat einen stattlichen Stammdurchmesser von immerhin acht Metern und erhielt deshalb den Status eines Naturdenkmals. Den schön restaurierten Marktplatz hatten wir ja schon gesehen. Und so folgten wir den Wegweisern zur Burg und zum Hafen. Die Burg ließen wir erst mal rechts liegen, zudem sie nicht sonderlich spektakulärwirkte.
Das Areal ist seit 1992 renoviert wurden und sieht eigentlich nicht so aus, wie man sich eine mittelalterliche Burg vorstellt. Der Fangelturm ist ein etwas unförmiger Backsteinstumpf am Ende eines großen Langhauses.Während des dreißigjährigen Krieges wurde die Burganlage weitestgehend zerstört und es blieben nur noch die Toranlage, teile der Mauer und der Torso des Turmes übrig. Heute gehört die Anlage der Stadt Wesenberg und beherbergt einige Einrichtungen, wie das Fremdenverkehrsbüro oder eine Heimatstube, in der eine Ausstellung zu Fischerei und Forstwirtschaft der Region gezeigt wird und um die sich ein Burgverein kümmert.
Das alles musste ich mir aber erlesen, denn auf dem Rückweg war das alles schon verschlossen. Denn wir kümmerten uns zunächst um etwas essbares, was wir in einem Biergarten am Hafen fanden. Apropos Hafen, der besitzt eine der Stadt entsprechende Größe und besteht deshalb nur aus einem langen hölzernen Steg, der sich um eine Ausbuchtung des Woblitzsees schmiegt. Einige Angler, die nicht sehr glücklich auf die Wasseroberfläche glotzten (Petri heil!), saßen in Klappstühlen auf dem Steg und ein Ausflugsboot hatte nahe einer Versorgungssäule daran fest gemacht. Die Besichtigung fiel also entsprechend kurz aus. Einmal auf dem Steg hin, ein paar Fotos vom See und wieder zurück und wir wendeten uns wieder dem Biergarten zu, dessen guter Besuch uns vermuten ließ, dass es sich lohnen könnte, hier etwas zu essen.
Das umfangreiche Angebot versprach auch, dass hier nichts aus der Konserve kommt, Mutti also noch selbst kocht. Und das kann ich hiermit bestätigen. Denn die bestellte Gulaschsuppe war der Hit des Tages. Der Besitzer des Imbisses werkelte vor sich hin grummelnd an einem Schirmständer und wirkte zunächst nicht sonderlich gesprächig. Ein paar zustimmende Bemerkungen und schon hellte sich sein Gesicht auf und er wurde sogar witzig. Er war wohl etwas angesäuert wegen der vielen Aufgaben, die im seine Frau, die hinter dem Tresen stand, aufgetragen hatte. Man stak in den Vorbereitungen zum anstehenden Pfingstfest. Und die riesige, frisch gemähte Wiese um die keine Bühne ließ mich erahnen, wie oft der Mann darauf heute bereits hin und her gehen musste, um diesen gepflegten Zustand herzustellen. Mein Interesse fand aber die kleine hölzerne Bühne mit der Tanzfläche am Freisitz. Vor allem wegen der Schwierigkeiten bei der Genehmigung einer Tanzfläche zu Hause in unserem Park. Ich schrieb bereits darüber in einem anderen Post. In mir wuchsen Ideen, die wir nun gemeinsam diskutierten. An der Bühne stand in buten Buchstaben “Wesenberger Kleinkunstbühne”. Vielleicht sollten wir unserem Vorhaben nur einen interessanten Namen geben und diesen jedes Jahr wechseln, um die halsstarrigen Behörden immer und immer wieder mit Anträgen zu bombardieren. So lange, bis sie es satt haben mit uns und sich wenigsten mal vor Ort blicken lassen. Denn bisher wurde nur vom grünen Tisch aus entschieden (natürlich negativ), was immerhin bereits 5 Jahre in Anspruch nahm. Und so sponnen wir uns etwas zusammen, ohne zu merken wie die Zeit vergangen war. Für eine Turmbesteigung war es nämlich inzwischen zu spät. Die schwere Eingangstür zum Turm war bereits verschlossen, schade eigentlich aber nicht zu ändern. Ändern mussten wir aber noch die Leere in unseren Rucksäcken in Sachen Proviant. Wie üblich lag der ortsansässige Supermarkt wieder einmal etwas außerhalb. Eine Einwohnerin, die wir nach einem Supermarkt fragten, schickte uns durch eine Neubausiedlung an der Stadtrand. Frage nie einen Autofahrer nach dem Weg durch eine Stadt! Wahrscheinlich war die gute Frau noch nie zu Fuß in die Kaufhalle gegangen. Warum auch, es sind doch schöne große Parkplätze davor. Und so bemerkten wir den Umweg erst auf dem Rückweg, als wir uns den Turm der Stadtkirche zur Orientierung nahmen.
Der Abend war noch jung und sehr einladend waren das Zimmer und die Schlafgelegenheit ja nicht. Also räumten wir kurzerhand einen Tisch aus der Küche auf den Hof, um uns hier noch ein Fläschchen Rioja Wein schmecken zu lassen (seit dem Camino Frances unser Lieblingswein). Gerade rüber zog gerade ein Radlerpärchen in die Fahrradpension ein und als die beiden uns bemerkten, zogen sie alle Vorhänge zu. Also kein Fernsehen! Doch auf dem Handy hatte ich noch einige Filmchen mit Kurt Krömer, Reinald Grebe und H.P. Kerkeling, über die wir uns amysierten bis der Akku leer war. Nun mussten wir etwas widerwillig doch ins Bett und wir ahnten bereits, was das werden würde in dieser Nacht. Wie bereits erwähnt, konnte Andrea nicht schlafen, weil sie es kaum wagte sich zu bewegen, weil dann die Liege fürchterlich knarren würde und ich immer wieder aufwachte, wenn sich es dann doch mal tat. Ich konnte mich dagegen kaum bewegen, war ein liegen auf der Couch ja für mich nur hochkant (auf der Seite) möglich und die Füße lagen auf der Armlehne.
Warum habe ich nur die Luftmatratzen nicht aufgeblasen??
Hier der Link zu GPSies mit dem gesamten Track der Westvariante in richtiger Laufrichtung nach Süden