Ob es wirklich nur 18 Kilometer werden würden, die wir heute auf der letzten Etappe der Ostvariante des Pilgerweges Mecklenburgische Seenplatte laufen, hing davon ab, ob wir diesmal die richtigen Wege finden. Zunächst jedoch saßen wir mit Frau Rexer am Frühstückstisch. Sie nahm sich die Zeit für uns und wir waren sehr dankbar, dass sie einen Platz in ihrem Haus für uns gefunden hatte. Die Spende, die wir hinterließen, kommt der Diemitzer Kirche zu gute, sagte sie. Denn die wäre in einem Besorgnis erregenden Zustand, sagte sie. Wir bedankten uns nochmals, schnappten unsere Sachen und machten uns bei wieder herrlichem Wetter auf den Weg, nicht ohne nochmals zu versprechen, etwas von uns hören zu lassen. Da sich Frau Rexer sehr um den Weg kümmert und sich in der Gegend gut auskennt, hege ich die Hoffnung, dass sie es schafft, dass auch im südlichen Teil die Beschilderung wieder besser wird und sich durch ihr gutes Beispiel vielleicht noch mehr Menschen bereit erklären, Pilgern eine Unterkunft anzubieten.
Hier der Weg, wie wir ihn wirklich gelaufen sind. Der Link zum GPS Track der gesamten Ostvariante befindet sich unter dem Beitrag zur ersten Etappe.
Schnell erreichen wir in dem lang gestreckten Ort die kleine Kirche von Diemitz und sehen, was das Wasser am Mauerwerk unter der Traufe bereits angerichtet hat. Deutlich sah man die Bereiche, in die die Feuchtigkeit bereits eingezogen war. Hier musste dringend das Dach und die Regenrinne erneuert werden. Auch am Sockel unten war aufsteigende Nässe zu sehen. Im Innenraum überraschten uns die lebendigen Farben und die reiche Ausstattung der Kirche. Ein für meinen Geschmack und für diesen Raum etwas zu groß geratener Kanzelaltar beherrscht den Raum. Die Köpfe der Figuren stoßen bereits an die Decke, die bemalt ist mit pausbackigen Engeln und Trompeten, die scheinbar die Wolken fort blasen, die auf die Decke gemalt sind. Die Bemalung der Decke ist zweifellos das Schmuckstück der Kirche. Auch eine Orgel gibt es auf der Empore, die in einem recht guten Zustand zu sein scheint. Wollen wir hoffen, dass genügend Spenden zusammen kommen, um diese Kirche zu retten.
In Richtung Wummsee verließen wir den Ort, ohne zu vergessen Fotos an den Stellen zu machen, wo einst Muschelschilder angebracht waren. Der folgende Abschnitt direkt am Ufer des Großen Wummsees entlang zählt zu den landschaftlich schönsten Stellen, die wir auf dem Weg gesehen haben. Der Gesang der vielen Vögel, der die morgendliche Stille durchbrach, begleitete uns auf diesem Weg. Hier und da kamen wir direkt ans Ufer und sahen das kristallklare Wasser. Und wäre es nicht so kalt gewesen, ich hätte meine Badehose doch nicht umsonst mit gehabt. Die tief über der Wasseroberfläche hängenden Äste mit ihrem frischen Laub glitzerten in den auf der leicht gekräuselten Wasseroberfläche sich widerspiegelnden Reflexionen des Sonnenlichtes. Hier und da lag ein umgekippter Baumriese vermodernd im Wasser. Der vom nahen Wasser durchtränkte Boden gab leicht nach unter den Füßen und fühlte sich an wie ein dicker Teppich. Der Klang der Schritte war dumpf. Alles war ein Fest für die Sinne. Ihr merkt schon, ich komme ins Schwärmen. Aber wie soll ich´s nur erklären? – Am besten mit Fotos:
Wir jedenfalls befanden uns nun auf einem langen Waldweg in Richtung des Ortes Schwarz. Der Waldweg ging nach einer gefühlten Ewigkeit in einen sandigen Feldweg am Rand eines Rapsfeldes über. Und dann tauchte hinter einem Hügel der Kirchturm von Schwarz auf. Der Weg in Schwarz folgt höchstwahrscheinlich der Hauptstraße. Wir bogen aber halb rechts in Richtung Ufer des Zethner Sees ab, auch in dem Wissen um eine Einkehrmöglichkeit für das zweite Frühstück. Der weitere Weg am Ufer entlang führte uns zu einem Feriencamp, wo sich gerade eine Jugendgruppe zu einer Paddeltour vorbereitete. Der Pfad, den mir mein Garmin anzeigte und der uns direkt wieder auf den Pilgerweg führen sollte, endete auf einem Privatgrundstück. Also mussten wir wieder in einem Bogen zur Hauptstraße hinauf.
Trotzdem bereuten wir diesen keinen Abstecher nicht. Immer noch bei strahlendem Sonnenschein ging es auf ausgefahrenen Feldwegen weiter, vorbei an einer Siedlung mit Finnhütten, einer beliebten Bauform für Wochenendhäuser zu DDR Zeiten. Wer darauf kam, diese Hütten nach dem skandinavischen Land zu benennen, ist sicher nicht überliefert. Auf einer Reise nach Finnland Mitte der Neunziger konnte ich mich jedenfalls davon überzeugen, dass es in Finnland kein einziges solches Haus gibt (oder man hatte es gut versteckt). Einzig die Holzgestelle, auf denen die Fischer in der Finnmark ihren Fang aufhingen, um daraus Stockfisch zu machen, erinnerten an diese Bauform. Und darin will bei dem Gestank wirklich keiner wohnen. Diese Häuser waren hier in den neuen Bundesländern derart beliebt und so perfekt konstruiert, dass sie sogar exportiert wurden. Wir trafen diese Häuser nach der Wiedervereinigung im Ostseebad Damp wieder. Dort wurden zur Olympiade 1972 die Segelwettbewerbe ausgetragen und das olympische Dorf bestand zum Großteil eben aus diesen Häusern, die (so wurde mir dort berichtet) durch eine Firma aus der DDR errichtet wurden.
Doch ich schweife ab. Wo war ich? “Olympiade”… Es bedurfte heute keiner olympischen Leistungen ans Ziel zu gelangen. Nur ungewöhnlich warm war es plötzlich geworden. Und so liefen wir ohne Pause durch bis Mirow und ließen uns auch nicht von zwei streunenden riesigen Hunden (wahrscheinlich weiße Pyrenäenberghunde) aufhalten. Weiß war an den beiden nicht mehr viel. Sie schienen gerade aus einem Sumpf gestiegen zu sein. Glücklicherweise hatten sie mehr Angst vor uns als wir vor ihnen.
Mirow empfing uns in einer Pflasterstraße, an der sich kleine ein- bis zweistöckige Reihenhäuser duckten. Auch sonst erschien uns die Stadt sehr kleinstädtisch, wenn ich das so sagen darf. Ich hatte sie mir ganz anders vorgestellt. Da wirkt das große Schloss und die riesige Johanniterkirche auf der Schlossinsel wie gar nicht dazu gehörend. Was aber großstädtisch erschien, war der Verkehr. Lange Autoschlangen bildeten sich an einer Baustellenampel, ohne diese ein überqueren der Straße als Fußgänger zum Wagnis geworden wäre. Auf die Schlossinsel, unserem ersten Ziel in Mirow, gelangt man durch das Torhaus.
Das Schloss Mirow erblickt man dann auf der rechten Seite. Das Schloss wird derzeit renoviert und wir hatten leider keinen Zutritt. Aber äußerlich wirkte es schon sehr prächtig. Unser Weg führte uns nun zur Johanniterkirche, die uns mit einem Aufsteller in den “Erlebniskirchturm” einlud. Was kann man in einem Kirchturm schon erleben? Na gut, man kann ihn manchmal besteigen. An der Kasse fragten wir nach einem Pilgerstempel. Aber so richtig anzufangen wusste der Herr nichts mit uns. Bevor wir aber mit den Rucksäcken auf den Turm steigen würden, waren wir uns einig, suchen wir erst mal unser Quartier. Das war dieses Mal nicht im hiesigen Pfarrhaus (laut Webseite wird hier noch umgebaut), sondern bei einer Privatadresse.
Ich hatte schon zwei mal Kontakt mit Frau Meyer und so wusst sie, dass wir im Anmarsch sind. Das Haus zu finden war nicht so schwer, obwohl hier auch kein Herbergsschild zu sehen war. Freundlich bat uns Frau Meyer auf´s Grundstück und zeigte uns das Quartier, welches sich in einem Nebengebäude im Garten befindet. Ein großer heller Raum mit einem Sofa, einem Tisch mit Stühlen und zwei dicken Matratzen empfing uns hier. Eine kleine Küche und die Dusche rundete den äußerst positiven Eindruck ab. Nach den doch sehr spartanisch eingerichteten Pfarrhäusern in Wokuhl und Fürstenberg war das hier der reine Luxus. Wir hatten zunächst große Wäsche und nachdem wir uns eingerichtet hatten, lud uns Frau Meyer zu Kaffee und Kuchen ein. Sie verriet uns, dass sie nach dem Tod ihres Mannes nur noch an Pilger die Unterkunft vergibt. Und dass sie, auch wenn sie noch nie auf einem Pilgerweg war, es so empfindet als ob sie selbst pilgert, wenn sie sich mit Pilgern unterhält und ihre spannenden Geschichten hört. Ich möchte mich hier nochmals bei dieser netten Frau bedanken für die herzliche Aufnahme. Wir haben uns wie zu Hause gefühlt. Es ist immer wieder schön solche Menschen zu treffen. Sie bereichern unsere Pilgerwege.
Nach dem Kaffee machten wir uns aber noch einmal auf den Weg, denn der Erlebniskirchturm wartete noch und hatte uns neugierig gemacht. Der Herr an der Kasse hatte sich wahrscheinlich inzwischen kundig gemacht. Denn ohne weitere Fragen drückte er uns zwei Stempel in den Pilgerpass. Sein Angebot, dass es oben im Turm Bücher zur freien Auswahl für je einen Euro gibt und wir uns welche aussuchen sollten, zeigte mir jedoch, dass er nicht wirklich wusste, auf welche Weise wir uns fort bewegten. Dankend lehnte ich das Angebot ab und verwies auf das Gepäck, dass wir auch am nächsten Tag auf dem Rücken tragen mussten.
In diesem stiegen wir nun die vielen Treppenstufen empor, nicht ohne uns die interessante Ausstellung zur Geschichte des Johanniterordens anzusehen, die in den einzelnen Etagen untergebracht ist. Oben angekommen hat man einen sehr schönen Ausblick auf die Stadt und die Umgebung. Der Mirowsee, der in der Abendsonne glitzerte und die kleinen wie eine Perlenkette aufgereihten Ferienhäuser an dessen Ufer wirkten sehr idyllisch. Fast lautlos tuckerten einige Freizeitkapitäne mit ihren Booten über den See und ließen ein Muster aus sich gegenseitig brechenden Heckwellen auf der Wasseroberfläche zurück. Auf der Stadt zugewandten Seite nervte lautes Krähen – Gekrächz. Hunderte von Saatkrähen sammelten sich in den großen Lindenbäumen um die Kirche und bauten hoch oben ihre unordentlichen Nester. Auf dem Kirchendach sahen wir die große Fotovoltaik – Anlage, ein Anblick, den man auf einem Kirchendach eher nicht vermutet. Hungrig geworden, stiegen wir vom Kirchturm wieder hinab und suchten nach einer Einkehr. Diese fanden wir in der “Blauen Maus”, einem Restaurant in der Schlosstraße, in dem wir sehr gut und preiswert gegessen haben. Fast hätten wir die Zeit vertrödelt, denn wir mussten noch etwas einkaufen für den Abend und den nächsten Tag. Na und der Supermarkt lag natürlich wieder mal recht weit außerhalb. Macht nichts. Wir sind´s laufen ja zum Glück gewohnt. Die Flasche Rotwein, die wir gerade noch vorm Schließen ergattern konnten, leerten wir zum Ärger des kleinen Nachbarhundes im Garten vor der Unterkunft. Lautstark und vom Herrchen / Frauchen immer wieder zurück gepfiffen, versuchte uns der Kläffer zu vertreiben. “Wir haben zu Hause auch so einen!” versuchte ich die Nachbarn zu beruhigen, denen das schon etwas peinlich wurde. “Morgen sind wir wieder weg und da hast Du deine Ruhe wieder.” sagte ich dem Hund, was ihn aber auch nicht sonderlich beruhigte.