ökumenischer Pilgerweg 2. Teil – Der letzte Tag

Na nun? Weshalb ist nun heute bereits unser letzter Tag? Wir sind doch noch mindestens zwei Tage von zu Hause entfernt? Hier nun die Aufklärung: Das liegt an unserer Bummelei. Wir hatten einen recht festen Zeitplan. Und der sah vor, dass wir am 2. Oktober zu Hause sind. Nun haben wir aber die Etappe nach Panschwitz-Kuckau verkürzt und sind in Crostwitz geblieben. Wegen des Wetters hatten wir in Kamenz die Etappe wesentlich eher beendet als eigentlich geplant. So gerieten wir einen Tag in einen Verzug, der auf 200 Kilometern nicht aufholbar ist. So gesehen hat aber alles gepasst. Denn wir hätten sonst nie unsere nette Reisebegleitung getroffen.

Doch zurück zum Tagesablauf:
beim Bäcker in Börln

beim Bäcker in Börln

Ich habe recht gut geschlafen auf den Matratzen. Da wir die freie Auswahl hatten und niemand weiter nach uns kam, habe ich für uns gleich zwei Matratzen übereinander gelegt. Das war recht gemütlich. Um das Frühstück müssen wir uns heute am letzten Tag nicht kümmern. In Börln gibt es einen Bäcker und wie wir gestern auf unserem Rundgang gesehen hatten, sollte der auch heute wieder geöffnet haben. Schnell packen wir also unsere Sachen zusammen. Ich wuchte die Matratzen wieder auf den Schrank und schon schließen wir die Tür des Pfarrhauses hinter uns zu. Die Bäckerei hat wirklich offen, macht aber auf mich nicht den Eindruck, dass das noch lange so sein wird. Der Zustand der Ladeneinrichtung ist desaströs und einen frischen Anstrich könnte der Verkaufsraum auch mal vertragen. Ich möchte gar nicht wissen, wie es hinten aussieht. Während wir so sitzen und unseren Kaffee schlürfen, habe ich Zeit mich näher um zusehen. Und da fallen einem solche Sachen nun mal auf.

Nur eine Kundin betritt den Laden, in der Zeit unseres dortigen Frühstücks. Als wir durchs Dorf laufen, ist dieses wie ausgestorben. Was anderes hätte mich auch gewundert.
der Morgen im Park von Börln

der Morgen im Park von Börln

Wir laufen durch den Park, in dem die Sonne bunte Punkte auf den Boden malt. Kurz vor Heyda geht es nach links auf eine schöne Lindenallee. Auch hier gibt es wieder jede Menge Pilze, die man schon vom Waldrand aus sieht. Ein Schild verrät uns, dass es hier einen Steinbruch gibt und auch einen Aussichtspunkt, an dem man gefahrlos hinein schauen kann in das Loch. Den Aussichtspunkt finden wir nicht. Aber durch das Gestrüpp führen schmale Trampelpfade, denen wir folgen. Und schon stehen wir an einem großen See, dessen felsige Steilufer verraten, dass hier ein Steinbruch ist.

Steinbruch in Dornreichenbach

Steinbruch in Dornreichenbach

Es sieht nicht so aus, als wenn hier noch Porphyr gebrochen wird. Denn die Zufahrten sind schon ganz schön zu gewachsen. Aber es stehen überall die Hinweisschilder, die auf die “Dornreichenbacher Quarzporphyrwerk GmbH” hinweisen. Wir gehen weiter und kommen nach Dornreichenbach. Das ist ein recht ansehnlicher Ort mit einem Schloss, dem dazu gehörigen Park, einer Naturbühne und einem Tiergehege. Das ist für ein so kleines Dorf mit knapp 500 Einwohnern ganz schön üppig und wieder mal ein Beweis, dass es geht, wenn sich engagierte Bürger zusammen tun. Hinter Dornreichenbach schließt sich wieder ein sehr schöner Weg über freies Feld an.

Wegweiser hinter Dornreichenbach

Wegweiser hinter Dornreichenbach

Die eng zusammen stehenden Baumreihen rechts und links des Weges verraten, dass er schon sehr alt ist. An einigen dieser Bäume hängen in Folie eingeschweißte Zettel mit Bibelsprüchen. Hier kümmert sich jemand sehr intensiv um diesen Wegabschnitt. Wie ich überhaupt sagen kann, dass der gesamte Weg bisher sehr gut ausgeschildert war. Hat man sich in die Systematik erst mal eingewöhnt und denkt so wie der, der die Wegweiser angebracht hat, braucht man keine Karten. Es sieht so aus, als ob es zwei verschiedene Historien der Beschilderung gibt: Eine recht alte von 2003 und eine neuere. Die alte Beschilderung besteht überwiegend aus mit Schablonen aufgetupften Muschelsymbolen auf  blauem Grund. Die quadratischen kleinen Wegweiser sind auf Masten, Bäumen oder anderen Sachen aufgemalt, die man nicht so schnell entfernen kann. Sie sind aber auch oft im Laufe der Jahre zugewachsen oder verstellt worden. Die moderneren Schilder sehen professioneller aus, sind also richtig gedruckt und als Aufkleber ebenfalls an geeigneten Dingen befestigt.

was ist das?

was ist das?

Wandalismus oder offensichtlich fehlende Wegzeichen habe ich nicht feststellen können. Der Weg ist den Anwohnern bekannt, er ist geachtet, geschätzt und man kennt den Sinn und Zweck eines solchen Weges. Viele Orte haben das Vorhandensein dieses Weges für ihre Zwecke werbewirksam eingesetzt. Das sieht man an Schaukästen in den Orten, an extra für Pilger aufgestellten Bänken oder an der Internetpräsenz (falls vorhanden). Die Herbergen verzeichnen einen stetigen Zuwachs an Übernachtungen, nicht zuletzt wegen der sehr guten Infrastruktur des ökumenischen Pilgerweges. Natürlich gibt es auch Sachen, die verbessert werden können. Wie schon auf dem Pilgerweg durch Mecklenburg und dem Teilstück Via Regia, dass wir bereits 2012 gegangen sind, gibt es recht große Unterschiede zwischen den Pilgerunterkünften. Es ist fest zu stellen, dass private Angebote mit sehr viel Engagement und Liebe erbracht werden, währen die Begeisterung über den Pilgerstrom in einigen Pfarrhäusern manchmal zu wünschen lässt. Das mag an der Überlastung der Pfarrer liegen aber auch am mangelnden Interesse der betreffenden Gemeinde. Zumindest kann man aber feststellen, dass es auf diesem Weg den Organisatoren gelungen ist, genügend pilgergerechte Unterkünfte zu organisieren. Unter pilgergerecht verstehe ich in diesem Zusammenhang eine preiswerte und zweckmäßige Ausstattung und das Angebot zu Gesprächen oder auch zur inneren Einkehr (wenn gewünscht). Soweit schon mal ein erstes Resümee. Wir sind ja auf der letzten Etappe.

Bockwindmühle Kühnitzsch

Bockwindmühle Kühnitzsch

Inzwischen sind wir natürlich weiter gegangen. Rechts etwas abseits von der “Alten Dorfstraße”, wie dieser Wegabschnitt heißt, sehen wir eine sehr schön restaurierte Bockwindmühle. Die Mühle in Kühnitzsch ist ein Technisches Denkmal und wird vom Heimat- und Schulverein Kühnitzsch/Körlitz e.V. betreut. 1812 wurde sie erbaut und ist voll funktionsfähig. Das besondere an dieser Mühle ist, dass sie von einem Lanz Bulldog am Sterz in den Wind gedreht wird. Diese Windmühlenart ist hier in Mittel- und Nordsachsen sehr verbreitet. Zum Pfingstfest findet hier jährlich der Mühlentag statt. Da haben alle Mühle geöffnet und man kann mit dem Fahrrad oder dem Auto von Mühle zu Mühle fahren. Oft wird nicht nur die Mühle gezeigt, sondern es finden auch andere Rahmenveranstaltungen wie Ausstellungen, Jahrmärkte oder Tanzveranstaltungen statt.

in Körlitz

in Körlitz

Wir lassen die Mühle aber rechts liegen und kommen nach Körlitz. Im Ort teilt sich der Weg und man kann die ursprüngliche Strecke auf der asphaltierten Ortsverbindungsstraße oder die Variante über einen Feldweg nach Roitzsch nehmen. Beide Wege sind gut ausgeschildert. Der schönere über den Feldweg ist jedoch einen Kilometer länger. All das steht auf einem Schild unter den Wegweisern in Körlitz. Wir entscheiden uns für den schöneren von beiden, sind aber etwas enttäuscht, als wir dann doch noch ein drittel des Weges auf einer Asphaltstraße laufen müssen. Als wir hinter einem Solarpark nach rechts auf einen Feldweg abbiegen, sehen wir schon die markanten Türme der Stadt Wurzen.

Wurzen in Sicht

Wurzen in Sicht

Das sind insbesondere die Türme des Domes St. Marien, der Wenceslaikirche und der Keksbude, wie die “Wurzener Dauerbackwaren GmbH” im Volksmund immer noch heißt. Am Wegesrand befinden sich große Apfelplantagen und Erdbeerfelder. Während letztere natürlich längst abgeerntet sind, hängen die Apfelbäume brechend voll. Der Weg scheint an der Stadt Wurzen links vorbei zu führen, macht aber urplötzlich einen Rechtsknick und wir gelangen so an einem kleinen See vorbei, zur ursprünglichen Strecke zurück in den Ortsteil Roitzsch. Nun sind es nur noch wenige Hundert Meter bis ins Stadtzentrum der Keks- und Ringelnatz – Stadt Wurzen. Zu den Keksen kommen wir noch. Joachim Ringelnatz ist der größte Sohn Wurzens. Er wurde hier geboren und sein Geburtshaus im Crostigall ist ein beliebtes Ausflugsziel. Das Crostigall ist ein Stadtteil Wurzens, der als Ursprung der Stadtentwicklung gilt. Die Stadt Wurzen erinnert an Ringelnatz durch einen 1983 zu seinem 100. Geburtstag auf dem Martktplatz aufgestellten Brunnen, durch die Ringelnatzsammlung im Museum und durch einen ausgeschilderten Ringelnatzpfad. Überall in der Stadt ist das bekannte Konterfei des berühmten Schriftstellers, Humoristen, Kabarettisten und Malers zu sehen.

Willkommensgruß auf dem Jakobsplatz Wurzen

Willkommensgruß auf dem Jakobsplatz Wurzen

Was wir nun auf dem Jakobsplatz sehen, ist ein besonderer Willkommensgruß der Stadt an die Pilger auf der Via Regia. Mitten auf dem Platz im Kleinsteinpflaster ist eine Muschel als Mosaik eingelassen und zwei Steine weisen in die Richtung, aus der wir her kommen “Görlitz 195 km” und dem Ziel des Weges, “Santiago de Compostela 2918 km”. Über die letzte Zahl lässt sich allerdings streiten. Denn hinter Erfurt sahen wir im vorigen Jahr ein Schild nach dem es noch über 3000 Kilometer wären. Aber es gibt ja mindestens so viele Wege nach Santiago wie nach Rom. Wir nutzen den Aufenthalt auf dem Jakobsplatz, um eine Bratwurst zu essen und während ich am Wurststand anstehe, schwatzt Andrea mit zwei Frauen, die uns als Pilger identifizieren konnten und nun einige Fragen haben. Als meine Würste endlich fertig sind, sitzt Andrea wieder allein auf der Bank.

Pilgerherberge "zur Kräuterfee" in der Jakobsgasse

Pilgerherberge “zur Kräuterfee” in der Jakobsgasse

Ich setze mich dazu und habe wieder mal Zeit, mich um zusehen und entdecke noch weitere Hinweise auf den Pilgerweg. Wir sitzen auf dem “Jakobsplatz”, es gibt ein “Jakobs Eck” und eine “Jakobsgasse” zweigt hier ab. “Die nehmen wir! sage ich und wir schlendern durch die schmale Straße an der “Kräuterfee” vorbei. Hier steht es an der Ladentür: Pilgerherberge. Schade, wäre sicher interessant gewesen. Betina hatte mal was davon gesagt, dass sie hier übernachten wolle. Ist ja leider nichts mehr draus geworden. Wir gehen aber weiter zum Markt. Ich war lange nicht mehr in Wurzen und habe den Markt nur grau/schwarz in Erinnerung. Hier und da blättert es zwar schon wieder aber ansonsten erstrahlt der Marktplatz in frischen Farben.

Markt mit Ringelnatzbrunnen

Markt mit Ringelnatzbrunnen

Überall sieht man Renaissance- und Barockgebäude, die neben jüngeren Wohnbauten und Geschäftshäusern mit reichen Jugendstilfassaden ein eigenes Flair entstehen lassen. Andrea findet den Ringelnatzbrunnen, der am unteren Ende des Marktes steht übrigens scheußlich. Dabei hat es immerhin 10 Jahre gedauert vom ersten Konzept bis zur Umsetzung. Ich glaube aber, dem Joachim hätte er gefallen, denn der Brunnen entspricht seinem etwas ausgefallenen Humor. Ein paar Stufen nach oben und wir stehen vor dem Domcafé. Die Sonne scheint und wir setzen uns draußen hin, um wieder mal einen Kaffee zu trinken. Es ist herrlich, in einer Stadt am Marktplatz zu sitzen und die Leute zu beobachten.

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Markt in Wurzen

Es ist Mittag und es herrscht eine wohltuende Entspanntheit. Auf dieser Seite des Marktes, schon auf dem Weg zum Domplatz, ist der Fußweg eine Art Balkon, zu dem man über Treppen empor steigen kann, die sogenannte Liegenbank. Hinter schmiedeeisernen Gittern stellen die Restaurants und Cafés ihre Tische auf und man hat von hier einen schönen Überblick über den Markt und einige angrenzende Gassen. Von der Wenceslaikirche, die vor uns auf dem Sperlingsberg steht, schlägt es 12 Uhr. Wir haben noch jede Menge Zeit. Denn bis Nepperwitz, unserem heutigen Endpunkt ist es nicht mehr weit. Also schlendern wir durch die Domstraße, vorbei am Stadtmuseum zum Schloss.

Schloss Wurzen

Schloss Wurzen

Das Schloss Wurzen gilt als das älteste Schloss im deutsch sprachigen Raum. Bereits im 10. Jahrhundert soll es an gleicher Stelle eine ähnliche Anlage gegeben haben. Das Vorhandensein eines Grabens um das massive Gebäude und den Überbleibseln einer ehemaligen Zugbrücke, kennzeichnet den baulichen Übergang von einer mittelalterlichen Wehrburg zu einem Residenzschloss. Ich kenne das Schloss recht gut, war hier doch zu DDR Zeiten das Volkspolizei Kreisamt eingezogen und ich im technischen Dienst bei der Polizei unter anderem auch für diese Dienststelle zuständig. Das war immer eine große Herausforderung, wenn hier beispielsweise Kabel verlegt werden sollten. Man wollte so wenig wie möglich Schaden anrichten an diesem alten Gemäuer, denn man hatte doch Ehrfurcht davor. Es ließ sich aber nicht immer vermeiden, auch mal etwas robuster Hand anzulegen. Ich weiß noch, dass wir für ein 2 Zentimeter starkes Kabel mal einen Wanddurchburch von einem halben Meter stemmen mussten, weil eben gerade an dieser Stelle ein großer Wackerstein in der meterdicken Wand verbaut war.  Einige Jahre nach der Wende ist die Polizei dann in ein modernes Gebäude umgezogen, das Schloss wurde saniert und es zog ein Hotel ein.

Dom St. Marien

Dom St. Marien

Gegenüber vom Schloss befindet sich der Dom St Marien. Den habe ich noch nie ohne Gerüst gesehen. Und so steht auch dieses Mal ein Gerüst im Schlosshof. Alle Türen auf dieser Seite sind verschlossen. Wir gehen wieder auf den Domplatz, um nach einer offenen Tür zum Dom zu suchen. An der werden wir um Verständnis gebeten, dass das Innere das Doms durch Videotechnik überwacht wird, da es immer wieder zu Diebstählen kam. Mann, was gibt es doch für Menschen? 1114 wurde der Dom von Bischof Herwig von Meißen als Pfeilerbasilika geweiht. Der romanische Dom ist einer der ältesten und interessantesten Sakralbauten Sachsens und der älteste Bauzeuge Wurzens. Die Geschichte des Domes ist spannend. Mitte des 15. Jahrhunderts brannte er völlig ab und wurde Anfang des 16. Jahrhundert wieder aufgebaut.

ausdrucksstarke Kreuzigungsgruppe im Dom

ausdrucksstarke Kreuzigungsgruppe im Dom

Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Reformation erhielten die Türme ihre barocken Hauben. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde er im neugotischen Stil umgebaut und in den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekam der Dom sein heutiges Aussehen. Außerdem wurde der Eingang in den Turm verlegt und der Dresdener Prof. Wrba schuf die ausdrucksstarke Kreuzigungsgruppe und die Kanzel. Alles andere findet der interessierte Leser hier: Klick drauf. Nachdem wir den Dom wieder verlassen haber, suche ich nach Wegweisern. Einen finde ich auf dem Domplatz, direkt vor dem Eingang zum Schloss. Dieser ist etwas irreführend, denn man könnte denken, er weist in Richtung Schlosshof. Nein, der Weg führt links am Schloss vorbei, über ein paar Treppen hinunter vom Schlossberg auf die Muldengasse. Wie eine Gasse sieht das hier aber gar nicht aus, eher wie eine Straße zum repräsentieren.

die "Keksbude"

die “Keksbude”

Die dicken Lindenbäume waren jedenfalls mal repräsentativ genug für den Eingang zur “Keksbude”. Wir kommen vorbei am großen Tor zum Fabriksgelände und sehen die zwei Mühlentürme in ihrer ganzen Wuchtigkeit. Die fallen einem zuerst auf, wenn man egal aus welcher Himmelsrichtung man aus die Stadt zu fährt. Seit 1847 wird hier Feingebäck hergestellt. “Wurzener” war zu DDR Zeiten der wichtigste Produzent dieser Waren. Nach der Wende übernahm der Konzern De Beukelar den Betrieb. “Wurzener” wird aber als Marke immer noch vertrieben. Die historischen Fabrikgebäude wurden aufwändig restauriert und vor allem die Mühlentürme gelten als weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Der Weg verläuft nun in die eigentlich entgegen gesetzte Richtung. Denn die Brücke über die Mulde liegt nördlich von uns. Wir gehen jedoch ein ganzes Stück durch eine Lindenallee in Richtung Süden, um dann die Brücke über einen Kanal zu nehmen. An diesem Kanal gehen wir nun entlang, links der etwa 20 Meter breite Kanal und rechts der Muldedamm. Die Mulde fließt etwa 150 Meter dahinter.

Greifvogel am Muldedamm

Greifvogel am Muldedamm

In der Ferne sehen wir bereits den Kirchturm von Nepperwitz. Am Kanal packt gerade ein Angler seine Ausrüstung ein und ein kurzer Blick hinüber sagt mir, dass ein “Petri heil” umsonst gewesen wäre. Der Angler grüßt nur kurz und ich traue mich gar nicht nach dem Fang zu fragen, so wie er schaut. Nach etwa 2 Kilometern geht es nach links auf einen Damm, auf dem eine Pflasterstraße zur Mulde hin führt. Hier und da sieht man noch die Schäden, die das letzte Hochwasser auch an dieser Straße angerichtet hat. Die schmale Brücke über die wir nach Grubnitz gelangen, hat das Hochwasser überstanden, was fast ein Wunder ist, wenn man sich wie ich mit eigenen Augen gesehen hat, was hier für Wassermassen unterwegs waren. Unter einer Reihe Kastanienbäume, die neben der Mulde zwischen den Deichen steht, liegt noch allerhand Treibgut. Und dazwischen macht sich ein älterer Mann zu schaffen. “Das ist für die Tiere.”, sagt er. Und ich erkenne, was er da treibt. Er wühlt mit einem Stock im Gras und sucht nach Kastanien. Sein Korb ist schon fast voll. Er will die Kastanien in den Tiergarten bringen. Als Kinder haben wir das auch oft gemacht. Aber welches Kind schafft es heute noch, sich von seinem Computer oder Handy zu trennen? Letztens las ich einen Ausspruch: Als ich klein war, hieß mein soziales Netzwerk “draußen”. Das sagt eigentlich alles. Wobei man den Kindern selbst keine Vorwürfe machen kann. Denn sind sie nicht im Netz, sind sie nicht “in” und werden gemobbt. Doch ich schweife wieder ab so kurz vor dem Ziel. Von Grubnitz, dass wie Nepperwitz ebenfalls beim letzten Hochwasser im Juni 2013 heimgesucht wurde, gehen wir eine kleine Asphaltstraße bis zum Ortseingang des letzten Ortes auf unserer diesjährigen Wanderung.

Nepperwitz

Nepperwitz

Der ökumenische Pilgerweg geht heute für uns hier in Nepperwitz leider schon zu Ende. Bevor wir uns hier von unserem Sohn mit dem Auto abholen lassen, schauen wir uns aber noch an der Herberge um. Die ist nach dem Hochwasser wieder hergerichtet wurden und offen. Das heißt, sie ist gerade verschlossen und wir möchten nicht ohne hier schlafen zu wollen, die verantwortlichen Leute aus dem Ort alarmieren, nur weil wir mal rein schauen wollen. Dann setzen wir uns an das Buswartehäuschen und warten auf unseren Sohn. So unspektakulär geht diese Pilgerreise zu Ende. Ich wäre ja gern noch bis nach Hause gelaufen, auch wenn die Strecke dann nicht der Wegführung der Via Regia entsprochen hätte. Aber wir haben morgen Termine. Auf einem Pilgerweg einem Ziel zuzustreben, dass man dann in Santiago findet, haben wir bereits zwei mal erlebt. Das Ziel spielt natürlich eine große Rolle in den Gedanken während man läuft. Wie es in Nepperwitz sein wird, tut mir leid, aber darüber habe ich nie nachgedacht. Also ist der Ausspruch “der Weg ist das Ziel” hier auf einem Teilabschnitt eines Pilgerweges viel bedeutsamer als das geografische Ziel. Wir haben auch auf diesem Weg wieder vieles erlebt, viele neue Menschen kennen gelernt, viel Vertrauen und Zuneigung gespürt, viele Städte und Dörfer gesehen und sind durch die schönen Landschaften Sachsens gewandert. Weitere Wege werden sicher folgen. Doch jeder bleibt etwas besonderes.

Ich habe versucht, meine und unsere Erlebnisse möglichst verständlich und kurzweilig nieder zu schreiben. Wenn ich das ursprünglich auch nur deshalb getan habe, um meine Erinnerungen nicht all zu schnell verblassen zu lassen, bin ich mir der Außenwirkung eines solchen öffentlichen Blogs wohl bewusst. Über Zweitausend Zugriffe sprechen für sich und ich freue mich sehr über das rege Interesse.
Aber wenn ihr nun das alles hier gelesen und jetzt immer noch keine Lust habt, auf einen der vielen Pilgerwege zu gehen, kann ich euch auch nicht mehr helfen. Über jeden, der sich dazu durch meine Zeilen aber inspiriert fühlt, würde ich mich freuen. Wenn ihr Fragen habt, bin ich gern bereit diese zu beantworten, gern auch persönlich per Mail. Ja und wenn ihr dann zurück kommt und hier vielleicht mal einen Kommentar hinterlasst und schreibt wie es euch ergangen ist, wäre das für mich der Lohn für die viele Arbeit.
Bis dahin verbleibe ich mit einem

Buen Camino!

 
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1 thoughts on “ökumenischer Pilgerweg 2. Teil – Der letzte Tag

  1. Hallo Gert
    Also ich bin wirklich sehr beeindruckt über deine Beschreibungen .Ich habe eure Erfahrungen auf dem Primitivo und dem ÖP richtig miterlebt beim lesen. Dieses Jahr, in Juni bin ich mit meinen Freunden mit dem MTB von Santander bis Santiago den Küstenweg gefahren .Ein riesiges Erlebnis aber eigentlich zu schnell durchgeführt ( 650 km in 8 Tagen ) Man hat einfach zu wenig Urlaub .Während ich deine Berichte lese, wünsche mal auch einen dieser Wege zu Fuß zu gehen.
    Ich werde deine anderen Berichte mit grossem Interesse durchlesen.
    Vielen Dank für deine Arbeit und Grüße auch für Andrea.

    José Luis – ein begeisterter Spanier aus Málaga

    P.S. Ich lebte 12 Jahre in Karlsruhe in den 70er.und 80er und dein Land ist meine zweite Heimat.

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