Diese Etappe sollte eine der schönsten werden, auch wenn das Strecken – Profil so manchen Schweißtropfen und schmerzende Knien in Aussicht stellte.
Ganz unten das Video zur Etappe !
Bis La Mesa geht es noch recht beschaulich zu. Dann lauert aber ein langer Aufstieg über eine Asphaltstraße, von der auch wir nicht besonders begeistert sind. Im Pilgerführer steht dazu, dass sich dafür nicht jeder Pilger begeistern kann. Von oben hat man aber einen herrlichen Ausblick auf einen Teil der am Vortag zurückgelegten Strecke, so dies das Wetter zulässt. Wir haben Glück mit der Sicht. Und so sehen wir in der Ferne die schlimme Schotterpiste, die vom Alto de Santa Marta schnurgerade herunter führt.
Nachdem wir die Straße nach links verlassen haben, erreichen wir Buspol, einen historischen Bauernhof mit einer kleinen Kapelle. Von hier sieht man bereits das Tagesziel Grandas de Salime und den darunter liegenden Stausee – ein herrlicher Anblick. Doch diese bereits sichtbaren Orte sind noch weit weg. Denn es schlängelt sich zunächst eine Piste stetig in Serpentinen bergab bis hinunter zum Stausee.
Auf sein smaragdgrünes Wasser hat man immer neue phantastische Aussichten und immer wieder hole ich die Kamera heraus. Doch dann zieht es sich plötzlich wieder zu. Eine dunkle Wolkenwand verspricht nichts Gutes. Und schon müssen wir wieder einen unfreiwilligen Stopp einlegen, um die Ponchos bzw. Regenjacken anzuziehen. Na ein Glück, dass der Schauer nur von kurzer Dauer war und so können wir die Regensachen bald wieder verpacken. Mit schmerzenden Knien erreichen wir die Staumauer. Ein eindringlicher Tipp für alle, die auch einmal hier lang pilgern wollen: Geht langsam! Achtet auf den Weg! Nehmt Treckingstöcke! Eure Knie werden es auf dem weiteren Weg danken.
Franco hatte hier sicher noch großes vor, davon zeugen jedenfalls die vielen hässlichen Ruinen am Gegenhang hinter der Staumauer am Fluss Navia. Von einer Aussichtsplattform, zu der ein kurzer Tunnel rechts neben der Straße führt, hat man einen beeindruckenden Blick auf das Stauwerk, seine elektrotechnischen Anlagen und das Tal des Rio Navia. Unser Zwischenziel thront auf einem Felsen gleich einem Adlerhorst über dem Stausee – ein Restaurant. Noch 1 Kilometer ab der Staumauer treibt dieser Anblick und die Aussicht auf eine längere Pause die müden Knochen noch einmal zu Höchstleistungen an. Ist schon komisch, welche Kräfte plötzlich frei werden, wenn man das Ziel bereits sieht. Deshalb habe ich auch manchmal die restliche Strecke etwas kürzer gelogen, wenn ich danach gefragt wurde, wie weit es denn noch ist. Das ist Psychologie!
Ein riesiger beeindruckender Hund begrüßt uns auf der Außenterrasse, von der man einen phantastischen Blick auf den Stausee hat. Er scheint sehr schläfrig – ist ja auch bereits Siesta. Auch Jürgen treffen wir hier wieder. Er ist aber bereits im Aufbruch. „Wir treffen uns auf alle Fälle in Grandas!“ Rufe ich ihm zu. Ich hatte keinen geringsten Zweifel daran.
Wir haben es uns recht lange auf der sonnigen Terrasse bequem gemacht, einiges gegessen und getrunken. Der anschließende Aufstieg nach Grandas de Salime ist fast in Vergessenheit geraten. Am liebsten würden wir hier sitzen bleiben. Doch weiter geht’s! Der Schinderhannes, wie ich gern von unseren Freunden auf Wanderungen durch die Walliser Bergwelt genannt werde, treibt alle zum Aufbruch. Der anschließende Weg auf der Straße entlang ist nicht ganz ungefährlich. Vor allem die Aufleger von Sattelzügen kommen in den Kurven oft gefährlich an uns heran. Es ist besser, man wechselt die Straßenseite, um auf der Außenseite der Kurven zu gehen. An einigen Stellen haben wir wieder herrliche Ausblicke auf den See und ich staune, wie schnell man wieder an Höhe gewinnt. Bald liegt das Gasthaus schon weit unter uns. Dann biegt die Straße ins Landesinnere ab. Kurz danach sollte man den Abzweig zum Waldweg nicht verpassen. Der ist zwar im ersten Teil sehr steil, aber wesentlich schöner und ungefährlicher als die Straße.
Leichten Fußes geht es zügig voran und so merken Jörg und ich gar nicht, dass die Frauen hinter uns zurück blieben. Am Ortseingang von Grandas warten wir wir auf einer Steinmauer sitzend auf die Bummelanten und gehen dann gemeinsam zur Herberge. Diese befindet sich in einem schönen schneeweißen Haus und verfügt über zwei Schlafräume. Alles macht einen sehr ordentlichen Eindruck. Die kleine Tochter der Hospitalera übt sich eifrig im Credencial abstempeln. Und so muss ich an sie denken, wenn ich mir die Stempel betrachte. Denn einer davon ist etwas blasser ausgefallen, der von Grandas de Salime. Wir sind uns sehr sicher hier noch ein freies Bett zu bekommen. Denn es gibt hier noch ein Notlager mit 22 Matratzen im Keller. Als ich das jedoch beim Wäsche waschen sehe, bin ich heilfroh, nicht dort drin übernachten zu müssen. Ich wünsche es keinem in diesem Kellerloch ohne richtigen Fußboden auch nur eine Nacht verbringen zu müssen, dann lieber unter freiem Himmel. Obenrum jedoch ist alles pico bello.
Wir starten zu einem Stadtrundgang durch die sehr interessante Stadt. Auch hier gab es wie in Portomarin in der Franco Zeit Umsiedlungen wegen des Stausees. Und wie Portomarin macht die Stadt auf mich einen wohlhabenden Eindruck. Man leistet sich ein überdimensionales Stadthaus mit schmiedeeisernem Glockenturm, die Häuserzeilen machen einen gepflegten Eindruck und das Besondere der Architektur sind die mit Holzschnitzereien verzierten Fensterlaibungen.
Und wir ich´s mir gedacht habe, vor einer Bar sitzen Philine und Jürgen. Ein kurzer Plausch, ein paar Bier und ein Rundgang durch die Stadt verkürzen uns die Zeit bis zum Abendessen. Jürgen übersetze uns die aufgestellten Erklärungen vor der Iglesia Parroquial de San Salvador, einer imposanten Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die sich im Ortskern befindet. Und – welch ein Wunder – die Kirche ist sogar offen, was an diesem Weg bisher recht selten der Fall war. Es wird zu viel geklaut, wird behauptet. Nach einer kleinen Spende im Klingelbeutel hat die Aufpasserin auch nichts mehr gegen ein paar Fotos im Inneren der Kirche.
Das Abendessen fällt wieder einmal viel zu üppig aus, auch wenn die Dame des Hauses und auch die Küche wegen Jörgs vegetarischer Sonderwünsche zunächst etwas überfordert scheint. Doch hier zeigt es sich, wie nützlich es ist, auf jemanden wie Jürgen zurückgreifen zu können, in dem er wieder einmal mit seinen guten Spanischkenntnissen glänzt. Man blickt auf einmal in ein viel freundlicheres Gesicht, man wird umgänglicher und man versteht manchen Scherz, der ansonsten vielleicht auf beiden Seiten ganz falsch gedeutet worden wäre. Auch ein keiner Unfall mit einem Weinglas, dessen Inhalt sich über Jörgs Hose verteilt, kann der heiteren Stimmung keinen Abbruch tun. Das Essen? Na ja, Gourmets sind die Spanier bekanntlich nicht gerade. Wer keine Majonäse überladene Gemüse – Thunfischpampe mag, sollte um den hier überall angebotenen russischen Salat einen weiten Bogen machen. Aber als Pilger ist man leidensfähig, auch beim Wein. Der hiesige Vino Tinto de la Casa ist sonst meist erstaunlich gut. Dieser hier macht nicht mal Flecken auf Jörgs Hose. Vom Geschmack reden wir mal besser gar nicht. Wir sind eben doch schon vom Rioja – Wein etwas verwöhnt. In Asturien sollte man lieber Weißwein oder Sidra trinken, das können sie besser.
Es ist bereits dunkel, als wir zur Herberge gehen. Und deshalb würde ich bei meiner nächsten Pilgerreise nach Spanien doch wieder das Frühjahr vorziehen. Man hat mehr vom Tag. Im Mai war es schon um 7 Uhr hell und erst gegen 21 Uhr dunkel.
Morgen geht es nach Galicien und mit dem Alto del Acebo wartet wieder ein anspruchsvoller Aufstieg.
Hier das Video zur Etappe (aus lizenzrechtlichen Gründen leider ohne Hintergrundmusik):