Camino Primitivo 4. Tag 9.9.2012 San Juan de Villapanada – Salas

Aufbruch zur 2, Etappe nach Salas

Aufbruch zur 2, Etappe nach Salas

Wieder sind fast alle Spanier schon weg. Die kennen die Gegend sicher schon und sie stört es nicht, sich im Dunkeln voran zu tasten, denke ich. Wir brechen wieder 8 Uhr auf und haben es heute nicht ganz so weit. Es sind nur 21 Kilometer von Villapanada nach Salas. Doch gleich nachdem man wieder auf dem Camino ist, wird es zum ersten Mal ernst. Es ist der erste etwas längere Anstieg (1,3 km) und wir sind oben ganz froh, dass es noch ziemlich kühl ist. Ich schätze mal 10-15 Grad – mehr sind es sicher nicht.

Ganz unten das Video zur Etappe !

 

Entlang der neuen Autobahn geht es gleich wieder steil bergab und wir wundern uns zum ersten Mal über die verwaiste Straße. Kaum ein Fahrzeug kommt da aus dem Tunnel. Das sollte uns noch mehrfach auffallen, auch dass fast alle Aktivitäten zur Fertigstellung scheinbar eingestellt wurden. Viele Stecken – Abschnitte sind nur zweispurig und einige bestehen nur aus unfertigen Brückenpfeilern.

Die Verkehrsdichte auf den parallelen Landstraßen lässt auch nicht zukünftig auf eine genügende Auslastung dieser Autobahn schließen. Sollte man hier etwa mit EU – Geldern am Bedarf vorbei bauen? Eine Frage, die wir uns oft auf diesem Weg stellten und das nicht nur beim Straßenbau.

blühendes San Marcelo

blühendes San Marcelo

Am Ende des Abstieges schlendern wir durch das über und über mit Blumen verzierte Dörfchen San Marcelo. Dahinter geht es über einen schmalen Pfad durch einen dunklen Wald mit einer kleinen verfallenen Wassermühle, an der es einen  Pilgerstau gibt, wegen des schönen Fotomotivs. Dann heißt es aufpassen, denn die Wegführung ändert sich immer mal durch den Autobahnbau. Und schon ist es passiert. An einem großen Steinbruch latschen wir unbedacht schwatzend hinter ein paar Spaniern hinterher, die aber nach einem Kilometer von aufmerksamen Einheimischen zurück geschickt werden. An der Stelle, wo wir hätten scharf links abbiegen müssen, liegt nur ein aus Steinen zusammengelegter Pfeil auf dem Boden, den man leicht übersehen kann. Auch der kleine gelbe Pfeil an einem Verkehrsschild ist niemandem aufgefallen. Na zum Glück gibt es ja die immer freundlichen und aufgeschlossenen Asturier, die einen auf den rechten Weg weisen.

Monastario San Salvador in Cornellana

Monastario San Salvador in Cornellana

Steil nach unten führt der Waldpfad. Unten begrüßt uns ein Labradorwelpe aufgeregt und schlabbert uns voll. Dann geht es an einer Kiwiplantage entlang bis nach Cornellana, wo wir uns gleich hinter der Brücke über den Rio Narcea von Gabi verabschieden. Sie will heute noch bis Bodenaya. Der Weg zweigt hier vor dem Ort nach links ab. Wir gehen weiter in den Ort hinein und finden einige Bars, von denen wir eine als Zwischenstop auswählen.

Vorbei am Kloster San Salvador geht es entlang des Flusses aus der Stadt hinaus. Bald steigt der Weg wieder an und man hat einen schönen Blick auf Cornellana. Der Weg windet sich durch einen Wald in dem mir vor allem die schönen vermosten Wurzeln der Bäume auffallen.

Aufstieg hinter Cornellana

Aufstieg hinter Cornellana

Plötzlich liegt meine Frau vor mir auf dem Waldweg und kommt, wie ein Maikäfer auf dem Rucksack liegend, nicht von allein wieder hoch. Sie hat sich mit ihren Wanderstöcken so verknotet, dass ich ihr beim Aufstehen helfen muss. Vor Lachen hätte ich mich fast daneben gelegt, so komisch sah das aus. In solchen entscheidenden „Fällen“ hat man leider nicht sofort die Kamera zur Hand. Obwohl ich zugeben muss, dass ich wirklich sehr viel fotografiere und bei dieser Tour sogar einige Videosequenzen aufgenommen habe. Am Schluss sollen es 2300 Fotos und 2,5 Stunden Filmmaterial sein, die ich sortieren und auswerten muss. Die Videos will ich zusammen mit den Aufnahmen von Jörg zu einem Film zusammen schneiden. Das ist aber Winterarbeit.

An einer Sandgrube vor Llamas und unterhalb des Ortes Quintana an einem schönen Brunnen machen wir noch einmal Rast, bevor die „14 Uhr Hitze“ wieder zuschlägt.

im Erdgeschoß die Herberge von Salas

im Erdgeschoß die Herberge von Salas

15.00 Uhr sind wir aber schon in Salas und finden die Herberge im Erdgeschoß eines Neubaublockes. Der Schlüssel soll in der um die Ecke gelegenen Bar sein. Also geht Jörg mal hin… „Die Türe müsste offen sein!“, so die nette Barfrau, die ihre Englischkenntnisse darbietet. Einfach mal dran zerren hätten wir sollen und wir hätten gemerkt, dass wir doch nicht die Ersten sind, so wie wir es zunächst annahmen. Es hätte uns auch gewundert bei unserem Schneckentempo.

Die Herberge ist recht nüchtern aber sauber und ordentlich (mein Gott – typisch deutsch! Ich erwische mich immer wieder dabei). Es gibt zwei Schlafräume, einen mit einem ganz kleinen und einen ganz ohne Fenster. Für uns ist dann nur noch der ohne Fenster übrig. Na egal, das wird schon gehen und die Spanier rammeln eh alles zu in der Nacht. Die frieren wohl sehr schnell oder sind die warme und muffige Luft gewöhnt. Ich bin es jedenfalls nicht und das sollte sich noch zeigen.

Dann geht’s noch mal in die Bar. Die Barfrau erweist sich als Formel 1 Fan und da das Rennen in Monza gerade im TV läuft (Gibt es in Spanien eigentlich eine Bar ohne laufenden Fernseher??) beweist sie uns ihre Fachkenntnis. Lokalmatador Alonso, er kommt aus Oviedo, fährt vorne mit und so ist die Welt in Ordnung. Nach ein paar Bier taucht Philine mit einem älteren Herrn auf. Es ist Jürgen aus Ulm, der sich sichtlich freut, noch mehr sächsische Gesellschaft zu bekommen. Nach einem heiteren Austausch über unsere Dialekte, merken wir sehr schnell, dass wir miteinander können. Und so sehen wir uns nach fast jeder Etappe wieder. Jürgen ist viel schneller als wir und schläft fast immer in Pensionen oder Hotels. Trotzdem trifft man sich immer wieder auf dem Camino. Das war auch schon auf dem Frances unsere Erfahrung. Ist schon eigenartig….

Salas am Abend

Salas am Abend

Die Bar um die Ecke bietet ein sehr gutes Pilgermenü. Ich bestelle das Lamm und bin begeistert von der Fülle und der Zubereitungsart. Bin aber hinterher mit einem schlechten Gewissen und einem vollen Bauch belastet. Ich wollte doch eigentlich einige meiner überflüssigen Kilos auf dem Primitivo lassen. Aber wenn das so weiter geht…. ? Dann geht’s noch durch das dämmrige Salas für ein paar Fotos und einen „Absacker“.

auf diesen Sitzelementen habe ich die Nacht verbracht

auf diesen Sitzelementen habe ich die Nacht verbracht

Die Nacht wird dann weniger schön für mich und vielleicht auch für manch anderen in der Herberge. Meine Befürchtungen der Luft in den Schlafräumen wegen, bestätigen sich rasch. Über eine Stunde liege ich wach, wälze mich von einer Seite auf die andere und werfe alles von mir, was auf mir liegt. Ich stelle mir vor, wie oft diese Luft schon durch andere Lungen geströmt ist oder wie viel Prozent davon anderen Körperöffnungen entglitten ist. Ich gerate in Panik und Atemnot. Dann klettere ich aus dem Bett, verlasse fluchtartig das Zimmer und überlege, mit der Isomatte, die ich zum Glück dieses Mal mit habe und meinem Schlafsack auf der draußen stehenden Bank zu nächtigen. Doch draußen beginnt es gerade zu nieseln. Was nun? Im Vorraum schiebe ich zwei Elemente einer sehr in die Jahre gekommenen  Sitzgruppe zusammen, lege meine Isomatte drauf und dann mich selbst in meinem Schlafsack. Bequem ist was anderes. Zuvor habe ich mit einer Reihe Wanderschuhe die Eingangstür so verklemmt, dass sie nicht mehr von allein zu fälltl. Endlich frische Luft! Ein Mitpilger, der meine Aktivitäten vielleicht bemerkte, die gleichen Probleme hat wie ich oder einfach nur aufs Klo muss, tritt an mein Schlaflager heran, entdeckt meine Türoffenhaltungskonstruktion und streckt mir den erhobenen Daumen entgegen. Gut gemacht! Ich schlummere ein, werde aber durch das Auseinanderdriften der Sitzgruppenelemente regelmäßig wieder wach. Gegen 3 Uhr dann sucht draußen unter lautem Miauen ein kleines Kätzchen seine Mama. Man hört es um mehrere Häuserecken. Es ist herzzerreißend. Und dann kommt das Miauen immer näher… „Was machst Du jetzt, wenn die Katze in die Herberge kommt? Die macht doch die ganze Meute munter…“ Die Nacht ist gelaufen. Ich halte mehr oder weniger Katzenwache, schlummere aber schätzungsweise gegen 5 Uhr wieder ein. Die Katze hat sich gerade verzogen, da starten die ersten Anwohner ihre fahrbaren Untersätze. Ich gebe es auf, gehe ins Bad und auf Toilette und bin ohne Gedränge bereits abmarschbereit, als die anderen aufstehen.

Das einzig Gute daran?  –  So was vergisst man nie.

Hier das Video zur Etappe (aus lizenzrechtlichen Gründen leider ohne Hintergrundmusik):

 

 

 

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