Camino Primitivo 3. Tag 8.9.2012 Oviedo – San Juan de Villapanada

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Im September wird es in Spanien erst nach Acht so richtig hell und wir wollen doch was sehen von der Landschaft und den Ortschaften. Nicht so die Spanier, sie sind fast alle schon weg, als wir 7 Uhr aufstehen und es draußen immer noch finster ist. Als ich das Frühstück mache und so vor mich hin brabbele, kommt aus der anderen Ecke des Zimmers: „Och Du bist wo ooch aus Leipzsch?“ – Philine aus Leipzig Lindenau. Sie ist mit ihren 20 Lenzen ganz allein unterwegs, will ebenso auf den Primitivo und hat eine alte Praktica Spiegelreflexkamera um den Hals, was mein Interesse noch mehr steigert.

Also sind wir schon mindestens 15. Aber über diese Gesellschaft bin ich richtig froh und da bin ich sicher nicht der Einzige.

Ganz unten das Video zur Etappe !

1. Etappe Aufbruch in Oviedo

1. Etappe Aufbruch in Oviedo

8 Uhr gehen wir los und kaufen im nahen Bäcker noch vier Brötchen. Wir wunderten uns über den hohen Preis. 5 Euro für 4 Brötchen – die spinnen die Spanier!!

Durch die sehr schöne Stadt, über der die Sonne gerade zu strahlen beginnt, finden wir recht schnell den richtigen Weg und treffen auch Gabi wieder, die den ganzen Tag bei uns bleibt, obwohl sie sicher viel schneller ist. Sie nervt zunächst etwas mit ihrem andauernden Geplapper. Sie ist Event Manager und darin scheint der Grund für ihre Aufgedrehtheit zu liegen.

Sie muss erst mal runter kommen aus dem Alltag. Das schafft sie dann auch recht schnell und wird von Stunde zu Stunde sympathischer. Endlich raus aus der Stadt. Wir gehen mit zügigen Schritten durch Wiesen in Mitten hoher Brombeersträucher. Hier und da ein kleines Dorf, durch das mancher Umweg führt. So spart man sich aber den Asphalt, auf dem es an manchen Stellen sicher kürzer und nicht ganz so steil gewesen wäre. Aber schöner ist es so auf alle Fälle.

0162 Camino PrimitivoDie Länge der An – und Abstiege hält sich noch in Grenzen und unsere Kondition scheint gut zu sein an diesem ersten Tag, so dass wir beschließen, bis San Juan de Villapanada zu gehen, so wie ich es von Anfang an geplant hatte. Das Streckenprofil des Primitivo sollte uns noch genügend fordern und so hatte ich geplant, gleich die erste Etappe zu nutzen, um richtig voran zu kommen, auch wenn die Erfahrung sagt, dass man es bei solchen Langstreckenwanderungen über mehrere Wochen langsam angehen lassen soll. So machen wir aber gleich am ersten Tag richtig Meter bzw Kilometer. Trotzdem haben wir heute den Eindruck, nicht richtig voran zu kommen. Dieser Eindruck sollte sich im Verlaufe des Primitivo noch weitaus verstärken. In der Zeit, die man auf großen Teilen des Camino Frances für 30 Kilometer einplant, schafft man auf dem Primitivo meist nur 20. Das ständige Hoch und Runter nagt mächtig an der Kondition und man kann an den steilen Abstiegen leider auch nicht schneller laufen, als an den schweißtreibenden Anstiegen. Man kommt auch gar nicht so recht ins Nachdenken, wie es oft auf dem  Camino Frances der Fall war, wo man nichts anderes zu tun hat, als einen Fuß vor den anderen zu setzen und ab und zu was zu trinken oder zu essen. Hier muss man ständig auf den Weg vor seinen Füßen achten, der zwar nie gefährlich aber doch oft sehr steinig, schmal und unwegsam ist. Hier gibt es keine breiten Pilgerautobahnen, die schnurstracks neben der Nationalstraße entlang führen. Hier geht es mitunter durchs Gebüsch über zugewachsene Pfade oder über Geröll an sehr steilen Hängen. Die Kennzeichnung ist dagegen sehr gut. Man muss schon ganz schön triefen, um sich da zu verlaufen.

Jana, Gert, Andrea und Jörg

Jana, Gert, Andrea und Jörg

Irgendwo hinter einer geschlossenen Bar, die uns wenigstens mit frischem Trinkwasser versorgt, machen wir Frühstück und lüften gleichzeitig das Rätsel des hohen Brötchenpreises. Im Brötchen ist eine Chorizo eingebacken. Mein Freund Jörg ist Vegetarier und hat natürlich damit ein ernsthaftes Problem. Wir bekommen ihn aber dann doch noch mit Äpfeln und Trockenobst von zu Hause satt. Weiter geht es durch die immer schöner werdende Landschaft. Weit im Osten sieht man die grauen Picos Europa in der Sonne leuchten. Die Fernsicht ist recht gut und ein laues Lüftchen weht uns um die Nase. Pünktlich um 14 Uhr wird es jedoch plötzlich sehr warm, ein Phänomen, unter dem wir auf dem ganzen Weg immer wieder zu leiden sollten. Bis hier hin war es recht angenehmes Wanderwetter bei erträglichen Temperaturen.

Brücke vor Penaflor

Brücke vor Penaflor

Es ging bisher oft durch den schattigen Wald. Aber nun kommen wir ganz schön ins Schwitzen, als es vor Grado über Landstraßen und einen staubigen Feldweg geht. Die erste Bar in Grado ist unsere. Es ist Feiertag in Galicien und so ist die Auswahl nicht besonders groß. Nach einem Kaffee con Leche oder einem kühlen Cerveca grande (je nach Geschmack) aus einem tief gefrorenen Glas aus der Tiefkühltruhe und was zu beißen geht es durch Grado auf der Suche nach Lebensmitteln fürs  Abendbrot. Wir wollen heute selbst kochen. Fündig werden wir nur in einer kleinen Tankstelle am Ortsausgang, in der wir uns mit Nudeln, Tomatenkonzentrat und natürlich Vino Tinto eindecken.

gemeinsames Abendessen

gemeinsames Abendessen

Die Beutel zerren ganz schön auf dem langen Weg zur Herberge, die einige Kilometer außerhalb liegt. Besonders gleich hinter Grado lauert ein schöner steiler 400 Meter langer Anstieg. Dann am Abzweig vom Camino nur noch ein kleiner Anstieg nach Villapanada und in der Dämmerung erreichen wir die Herberge. Wir werden mit einem Becher Wasser vom ehrenamtlichen Hospitalero Domingo begrüßt, der für uns zudem auch noch Betten hat. Die Herberge ist urgemütlich und ums Kochen müssen wir uns auch nicht kümmern. Das hat alles schon Domingo erledigt und wir setzen uns an einen gedeckten Tisch. Selbst unser Vegetarier wird liebevoll umsorgt und er bekommt sein Essen sin Carne (ohne Fleisch).  Als Gegenleistung trennen wir uns gern von unseren eingekauften Lebensmitteln für die Nachfolgenden. Man sind wir kaputt! Im Pilgerführer steht was von 29 Kilometern. Gabi sagte ihr GPS Gerät zeige aber 33 Kilometer an. So fühlen sich meine Füße auch an. Ohne mir es anmerken zu lassen, entgegne ich:“ Du warst ja auch so oft pullern!“ – ein Wort, dessen Bedeutung sie bisher nicht kannte. Ab sofort benutzt sie es laufend. „Mensch, bei den Sachsen haben wir wieder was gelernt“ – sagt sie. Alle lachen und mit einem herrlichen Ausblick auf Grado lassen wir den Tag bei ner Flasche Roten ausbaumeln und freuen uns auf den nächsten.

Aussicht über Grado

Aussicht über Grado

 

Hier das Video zur Etappe (aus lizenzrechtlichen Gründen leider ohne Hintergrundmusik):

 

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