Camino Primitivo 10. Tag 15.9.1012 Fonsagrada/Padron – Cadavo Baleira

1147 Camino Primitivo

Angesteckt von der allgemeinen Unruhe stehen wir auch heute recht früh auf. An den wenigen Wasch- und Pinkelbecken gibt es etwas Gedränge aber sonst geht alles sehr zügig und diszipliniert ab. Da es aber draußen noch sehr dunkel und zudem noch nebelig ist, lassen wir uns mit dem Frühstück viel Zeit. Ich mache ganz in Ruhe unseren löslichen Kaffee. Der ist zwar nicht vergleichbar mit dem sonst üblichen Kaffee con Leche in den Bars aber doch ganz genießbar. Ein paar Reste an Brot und Käse vom Vorabend sind auch noch übrig dazu noch ein paar Apfel- und Pfirsichstreifen, das muss genügen.

Erst als es gegen 8 Uhr dämmert, ziehen auch wir los. 23 Kilometer bis Cadavo Baleira, das klingt nicht viel. Das ständige hoch und runter wird uns aber auch heute kaum vorwärts kommen lassen.

Ganz unten das Video zur Etappe !

raus aus dem Nebel

raus aus dem Nebel

Zunächst geht es mehr oder weniger parallel zur LU 530 über Pisten und Waldwege. Noch ist es recht nebelig und kalt. Die Wolken haben sich wieder in den Tälern verfangen. Da wir aber höher steigen, sehen wir bald wieder das mittlerweile gewohnte Bild. Die von der Sonne erleuchteten Wolken wabern um die Kuppen der Galicischen Hügellandschaft und wir stehen oben drüber. Hinter dem Dorf Montouto geht es noch einmal kräftig bergan und man überschreitet nochmals die 1000 Meter Marke. Bei 1030 Meter haben wir den höchsten Punkt der heutigen Etappe erreicht. Die Aussicht ist wieder phänomenal. Danach geht es wieder steil bergab durch einen schönen Wald. Kurz bevor wir wieder in die „Wolkensuppe“ eintauchen, erreichen wir die urgemütliche Bar „Meson“.

Casa Meson

Casa Meson

Wir beschließen hier einzukehren um etwas zu essen und zu trinken – eine sehr gute Entscheidung! Denn die Bocadillos sind riesig, so dass ich mir eins mit Andrea teilen muss. Einen ganzen hätten wir beide nicht geschafft. Hier beschließen wir die gleichen Taktik wie am Vortag anzuwenden. Es sind noch 13 Kilometer und noch ein Pass, der Alto de Fontaneira liegt vor uns. Jörg ist der schnellste. Wir übergeben ihm wiederum unsere Pilgerausweise und er zieht los. Man kann´s ja mal probieren. Auch wir stiefeln los, ohne zu hetzen. Ich möchte immer noch einen Blick für die Umgebung übrig behalten und nehme mir die Zeit für einige Fotos und Videoaufnahmen. Der Weg geht zunächst etwas oberhalb der LU 530 entlang und ist ziemlich aufgeweicht von diversen Bachläufen, die diesen Weg kreuzen. Bei Regenwetter dürfte dieser Abschnitt kaum passierbar sein. Dann kreuze ich die Landstraße nach links und geht eine ganze Zeit ziemlich steil bergab zum Dorf Degolada.

steiler Anstieg nach A Lastra

steiler Weg nach A Lastra

Das macht mich einigermaßen nervös, denn ich meinte doch, dass es zu einem Pass eigentlich nach oben gehen muss. Und dann kommt er, der befürchtete steile Anstieg. Der Pfad führt mitten durch einen schönen Wald bis zum Ort A Lastra, wo man wieder auf die Straße trifft. Der Anstieg ist so steil, dass ich mehrmals eine Pause einlegen muss. Einige Male krabble ich sogar auf allen Vieren nach oben.  Wäre ich auf der Straße geblieben, hätte ich mir diese Schinderei sicher erspart. Ein Rat von mir deshalb: Wenn ihr schon etwas erschöpft seid oder schon angeschlagen, bleibt hier auf der Straße. Auf alle Fälle sollte man aber bei Regen oder Sturm auf dieser bleiben. Man erkennt auf dem Pfad, dass das Wasser diesen als Flussbett nutzt, wenn es länger regnet. Im Wald sehe ich viele umgestürzte Bäume. Es ist also wirklich ratsam, bei stürmischem und feuchtem Wetter auf der Straße zu bleiben. Hinter A Lastra entscheide ich mich auf der Straße und umgehe so den Alto de Fontaneira linksseitig auf dieser. Das ist zwar etwas weiter, das Höhenprofil zeigt mir aber, dass mir dadurch einige Höhenmeter erspart geblieben sind. Wenn ich an dem Tag besser drauf gewesen wäre, hätte ich sicher den Waldweg benutzt aber an diesem Tag war mir das Ankommen wichtiger. In Fontaneira gönne ich mir noch ein schnelles Bier im Stehen und nehme den letzten Abschnitt in Angriff, der dann fast ständig bergab bis Cadavo Baleira führt.

1249 Camino PrimitivoAm Ortseingang gleich rechts  sehe ich schon die Herberge. Und da kommt mir auch schon Jörg entgegen und der macht kein sehr glückliches Gesicht. Dieses Mal hat unser Plan nicht geklappt. Es waren nur noch 5 Betten frei und hinter ihm standen 6 Spanier, die natürlich mitbekamen, was Jörg wollte und auf den Hospitalero einredeten. Jörg hat sich erst mal dumm gestellt und so getan, als verstehe er nicht. Dann hat er sich noch höflich für die Geduld bedankt und ist gegangen. Wir dürfen ja nicht meckern. Die Spanier waren im Recht und wir wissen ja, dass man nicht vor belegen darf. Ohne Groll ziehen wir in die nahe gelegene Bar und bekommen dort zwei Doppelzimmer für je 30 Euro. Na was will man mehr. Alles wird sich finden, sagt Jörg immer. Er ist viel gelassener als ich und ich sollte mir etwas von seiner Gelassenheit abgucken.

Wir setzen uns in die Bar, trinken ein Bier und warten auf Andrea und Jana, denen wir schon telefonisch Bescheid gegeben haben, wo wir sind. Eine Stunde später stehen sie ebenfalls kaputt aber glücklich in der Bar.

Einkaufsstress

Einkaufsstress

Beim Wäsche waschen dann wieder eine etwas lustigere Begebenheit:
Es war auch schon auf dem Frances im vorigen Jahr ausgemacht, dass jeder sein eigenes Zeug wäscht. Und so nehme ich mein Zeug und gehe in die Waschküche. Na ja, es ist so eine Art Scheune mit allem möglichen Plunder darin. Am Waschbecken steht eine Flasche und ich denke mir au fein, da muss ich nicht mein eigenes Waschmittel nehmen, da es eh bald zu Ende geht. Fröhlich lasse ich Wasser ins Becken und gieße einen schönen Schwapp aus der Flasche dazu. Aus meinen Socken kómmt eine schwarze Brühe, als ob ich sie seit einem halben Jahr an gehabt hätte. Etwas verwundert spüle ich sie aus, um sie gleich noch mal in die Lauge zu tauchen. Wieder diese schwarze Brühe. „Mein Gott, was bist du für ein Schmutzfink!“ denke ich immer noch. Bis mir der Chlorgeruch in die Nase steigt. In der Flasche ist Chlorbleiche und ich hätte mir um ein Haar weiße Socken gewaschen. Auch mein dunkles kariertes Hemd ist etwas heller geworden. So ist das, wenn man keine Ahnung hat. Aber Jörg erging es genau so. Übrigens hat er hier ein Paar seiner schönen Wollpower Socken eingebüßt. Wir haben alle vier Rucksäcke auf den Kopf gestellt. Die Socken bleiben bis heute verschwunden. Ach weil wir gerade bei den Socken sind: Ich kann diese Wollpower Socken nur empfehlen. Die gibt es bei Globetrotter, kosten rund 16€ und bestehen hauptsächlich aus Merinowolle und einem Kunstfasermischgewebe. Es gibt keine Funktionszonen und auch kein „R“ und „L“ auf den Socken. Sie sehen völlig unspektakulär aus. ABER! Ich neige recht stark zur Fußblasenbildung und bin auf meinen bisherigen Wegen nie ganz ohne Blasen ausgekommen. Da trug ich Falke TK2 coolmax – auch keine schlechte Socke und oft gekauft und getragen. Aber erst mit den Wollpower Socken bin ich in diesem Jahr völlig blasenfrei bis zum Ende des Weges geblieben und das war für mich ein ganz neues Laufgefühl. Ich hatte dann sogar auf mein geliebtes Hirschtalg verzichtet.

Eine besondere Herausforderung für die Kombination Füße, Socken und Schuhe sollte aber noch hinter Santiago auf dem Camino Finisterra folgen. Doch dazu später.

wir treffen Philine und Jürgen

wir treffen Philine und Jürgen

Nach dem Wäschedebakel gehen wir in den Ort. Dieser ist unspektakulär und uns interessiert einzig ein kleiner Supermercado. Ein bisschen Obst, was für den Abend und für den langen Weg nach Lugo am nächsten Tag, alles das bekommen wir hier. Unterwegs dorthin treffen wir natürlich wieder Philine und Jürgen, mit denen wir uns zum Pilgermenü in unserer Pension verabreden.

Das Pilgermenü ist diesmal hervorragend. Ich habe eine Art Schweinebraten, der herrlich zart war, den ich aber nicht ganz schaffe. Auch der gegrillte Lachs, den Andrea hat, sieht sehr gut aus. Das Menü gab es a la Cart und Jürgen half uns wieder sehr bei der Auswahl. (Ich hab schon wieder ne Pfütze auf der Zunge!) Der Vino Tinto de la Casa ist dieses Mal von der besseren Sorte. Wir haben uns jedoch schon in der Kaufhalle mit besserem eingedeckt, den wir am Abend neben der Bar vertilgen. Plötzlich kommt die Dame des Hauses zu uns nach draußen. Ich rechne mit einem Donnerwetter, weil wir unseren mitgebrachten Wein an ihren Tischen trinken. Sie jedoch macht sich nur Sorgen, weil die Außenbeleuchtung nicht geht und wir im Dunkeln sitzen.

Na stellt euch mal so was in Deutschland vor….

Hier das Video zur Etappe (aus lizenzrechtlichen Gründen leider ohne Hintergrundmusik):

 

 

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