Denn es sind nur noch 4 Wochen, bis es nach Mecklenburg geht. Und da gilt es noch einiges zu tun, um die eingerosteten Knochen wieder in Schwung zu bekommen. Und deshalb steht das hier auch unter “Pilgerweg Mecklenburgische Seenplatte”, dient es doch zur weiteren Vorbereitung auf diesen Weg.
Und so machten wir uns heute am Mittag zu einer längeren Probewanderung auf den Weg. Mit dem Auto ging es bis zu einem Parkplatz am Rande der Goitzsche. Die Goitzsche ist eine Tagebaufolgelandschaft zwischen Delitzsch und Bitterfeld. Mehrere Braunkohlentagebaue wurden hier seit Anfang des vorigen Jahrhunderts aufgeschlossen. Und besonders schlimm wurde es dann zu DDR Zeiten. Denn da nahm dann niemand mehr Rücksicht auf die Natur und es mussten sogar ganze Dörfer der Braunkohle weichen.
Nachdem die Tagebaue in den 90er Jahren unwirtschaftlich wurden, begann man mit deren Schließung. Das war sicher schlimm für die vielen Bergleute hier in der Gegend, die plötzlich arbeitslos wurden. Aber es war ganz sicher ein Gewinn für die Natur und die Lebensqualität der Anwohner. Der Raum Bitterfeld mit seiner chemischen Industrie, den vielen Brikettfabriken und den Braunkohlentagebauen galt als einer der schmutzigsten Orte Deutschlands. Nacht hörte man kilometerweit das Quietschen der Bagger und Absetzer, alles wurde in einen schwarzen Rußschleier gesteckt und die Farben der Abgase die aus den zahlreichen Schloten quoll und der Seen, in die die Abwässer flossen, wechselten täglich. Wer das gekannt hat und lange nicht hier war, wird das Revier nicht wieder erkennen.
Der Düsseldorfer Künstler Anatol Herzfeld hat die Goitzschewächter geschaffen. Das ist eine Gruppe von zehn 2,10 Meter großen Eisenkerlen, die im Kreis stehend über die Neugestaltung der Gegend wachen sollen. In der Mitte der Gruppe liegt ein großer Findling mit der Aufschrift “Franz”. Wer war oder ist Franz? Erst das Internet brachte Aufklärung. Damit soll das Wirken des anhaltinischen Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau gewürdigt werden. Der Fürst verfolgte im 18. Jahrhundert humanistische Ideale bürgerlicher Aufklärung. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich mit den Wörlitzer Anlagen zeugt noch heute von seinem Wirken.
70 kleine Findlinge, die zwischen den Figuren liegen, wurden ebenfalls gestaltet und zeigen verschiedene Gesichter oder Reliefs.
Anfangs die Mibrag und später die LMBV übernahmen zum Glück das Erbe des jahrzehntelangen Raubbaus an der Natur. Unter Einbeziehung des BUND und der Landräte von Delitzsch (jetzt Nordsachsen) und Bitterfeld (jetzt Anhalt Zerbst) begann Mitte der 90er Jahre die Renaturisierung der geschundenen Landschaft. Ortsbezeichnungen wie “Schwellenplatz” oder “Hochkippe” künden noch von der früheren Nutzung. Viele Orte sind auch nach den früher dort liegenden Dörfern benannt. Eine große Anzahl von Seen, verbunden durch ein weit verzweigtes, gut ausgebautes Netz aus Rad- und Wanderwegen machen die Goitzsche inzwischen zu einem beliebten Ausflugsziel. Früher vorwiegend mit dem Rennrad und seit einiger Zeit häufiger zu Fuß, sind wir bei schönem Wetter oft hier anzutreffen. Dass es hier im Herbst jede Menge Pilze gibt, bleibt bitte unter uns.
Nach den Goitzschewächtern kann man zur Zöckeritzer Höhe gehen. Ein weiterer Weg zum Paupitzscher Eck, der hier abzweigt, wurde durch das Ansteigen des Wassers zur Sackgasse. Zöckeritz war ein Dorf im Kreis Bitterfeld, das ebenfalls der Kohle weichen musste. Vorbei an einer Koppel mit neugierig schauenden englischen Exmoor – Ponys hat man am Holzweißiger See einen steilen Aufstieg auf die Hochkippe vor sich. Und hier war noch Winter. Denn nur ein schmaler schlammiger Pfad führte hinauf. Doch alles gut gegangen, obwohl es ziemlich rutschig war. Oben hat man eine schöne Aussicht über den See bis zum Bitterfelder Bogen. Den besuchen wir aber ein anderes Mal. Denn den Füßen nach zu urteilen wurde es Zeit zur Umkehr. Man soll es nach dem langen Winter ja auch nicht gleich übertreiben.
An einer Brücke, die über den Wassgraben führt, der den Neuhäuser-, den Paupitzscher und den Ludwigsee miteinander verbindet, fielen uns merkwürdig angespitzte Baumstümpfe auf. Sollten sich hier etwa Biber angesiedelt haben? Es sieht ganz danach aus. Denn man erblickt deutliche Nagespuren an den Stämmen, die kreuz und quer im Wald liegen und große Teile der Rinde wurden ebenfalls abgenagt. Na dann wird die Brücke wohl bald höher gelegt werden müssen, wenn die fleißigen Wasserbauer ihr Werk vollendet haben und der Bach zum See wird. Entlang des Bachtales führte uns der Weg in strahlendem Sonnenschein zurück zum Neuhäuser See, den wir nun nur noch halb umrunden mussten, um wieder zum Ausgangspunkt und zum Auto zu gelangen.
Hier fällt uns auf dem Parkplatz gleich wieder ein Müllberg auf, der nur noch resignierendes Kopfschütteln hervorrufen kann. Die Reste einer Schrankwand belegen hier einen Stellplatz – auch wieder so ein Beispiel grenzenloser Dummheit. Denn bei uns werden regelmäßig kostenlose Sperrmüllsammlungen durchgeführt.