Via Regia 6. Tag 26.Mai 2012 Eckartsberga – Stedten

Frühstück in Eckartsberga

Frühstück in Eckartsberga

Die Sonne geht gerade auf hinter der Eckartsburg, als wir die Stadt Richtung Südwest verlassen. Zuvor haben wir vor dem idyllisch gelegenen Pfarrhaus noch ausgiebig gefrühstückt. Unsere Mitpilgerin schläft noch. Sie will lieber allein laufen, was in Anbetracht ihrer Beschwerden an den Füßen auch nachvollziehbar ist. Wir müssten unser Tempo sicher stark drosseln, um zusammen bleiben zu können. So gehen wir wieder bei schönstem Wanderwetter durch die morgendlichen Dörfer und Felder. Heute wollen wir bis nach Stedten am Ettersberg. Auch hier verspricht die Unterkunft außergewöhnlich zu werden. Denn diese befindet sich wiederum in einer Kirche. Die Schlafplätze sollen im Kirchturm der St. Kilian Kirche in Stedten untergebracht sein und im Pilgerführer versprach man uns eine schöne Aussicht von diesem Turm ins Weimarer Land.

Der erste Ort, den wir ansteuern heißt Seena. Das ist auch eins dieser Dörfer, die man wohl nie zu Gesicht bekommen hätte, wenn man nicht zu Fuß unterwegs wäre. Es liegt an keiner großen Fernverkehrsstraße und verfügt über keine besondere Sehenswürdigkeit, die es für einen Ausflug dorthin qualifizieren würde.

Kirche in Seena

Kirche in Seena

Der Nachteil, dass man hier am A… der Welt wohnt, wird durch die Ruhe, die man hier hat, aber sicherlich wett gemacht. Die Dörfer, die wir bis jetzt gesehen haben, waren alle sehr schön heraus geputzt. Oft gibt es neue Straßen mit neuer Beleuchtung, die Stromkabel liegen längst neben der neuen Kanalisation in der Erde, die Kirchen sind renoviert und jeder hat sein Haus und sein Grundstück nach seinem Geschmack und seinen finanziellen Möglichkeiten heraus geputzt. Da hat sich viel getan in den 23 Jahren nach der “Wende”. Einzig mit der Abwanderung der jungen Leute haben diese Dörfer stark zu kämpfen. Nur wer Grundbesitz hat, bleibt dauerhaft auf dem Land und nimmt lange Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf. Das Landleben hat auch seinen Reiz, weil es oft ein ausgeprägtes Wir – Gefühl auf den Dörfern gibt. Die Leute treffen sich in Vereinen oder einfach am Gartenzaun. Jeder kennt jeden. Sieht man mal vom allgemein bekannten “Knallerbsenstrauch” ab (nicht Wissende googeln  mal nach Stefan Raab und “Knallerbsenstrauch”), sind das eigentlich paradiesische Zustände.

Feuerwehr Seena

Feuerwehr Seena

Hier in Seena scheint es eine zwar kleine aber sehr aktive Feuerwehr zu geben, für mich als freiwilliger Feuerwehrmann sehr interessant. Ein alter Robur steht neben dem winzigen Gerätehaus und der riesige Grill ist noch warm. Hier gab es gestern ne Sause, sicher mit viel Bier und Thüringer Rostbratwürsten. Ja wir sind fast in Thüringen. Irgendwo hinter Seena passieren wir die Landesgrenze. Herr Röder sprach in Lissdorf von einem Schild, was er aufgestellt hatte. Oder wollte er es nur und die Bürokratie hatte was dagegen?

Grün

Grün

Rast in Oberreißen

Rast in Oberreißen

Falls eins da stand, wir haben es leider verpasst. Thüringen, das grüne Herz Deutschlands, das Land der Bratwürste, wie es Reinald Greebe besingt, wird uns weiterhin schönes Wetter bescheren, so der hoffentlich zutreffende Wetterbericht für die nächsten Tage. Der Weg verläuft auch hier über Feldwege, nur manchmal auf wenig befahrenen Ortsverbindungsstraßen, aber immer idyllisch und leicht zu finden.

Da lang!!

In Buttelstedt gibt es noch mal Wasser aus dem Eisschrank, denn unsere Wasserflaschen sind nicht nur fast leer, das wenige Wasser darin ist inzwischen in der Sonne auch mächtig warm geworden und schmeckte mittlerweile wie eingeschlafene Füße. Das Frischwasser ist auch bitter nötig, denn die Temperaturen haben auch heute wieder sommerliche Werte erreicht und der kerzengerade Weg auf einem ehemaligen Bahndamm bis Schwerstedt wird wieder mal länger und länger.
Frühstück in Nermsdorf

Frühstück in Nermsdorf

So langsam wird es Zeit, dass wir ankommen. Am Ortsausgang von Schwerstedt machen wir noch mal Halt an der riesigen Straußenfarm – neugierige Blicke auf beiden Seiten des hohen Zaunes. Wenig später ist Stedten erreicht. Und da stehen wir nun vor der Kirche St. Kilian, die ganz frei ohne Umzäunung mitten auf einer Wiese im Dorf steht. Ein wenig enttäuscht bin ich schon von dem dicken etwas behäbig wirkenden Kirchturm. Ich habe einen hohen schlanken Turm erwartet, den man über knarrende schmale Wendeltreppen erklimmen muss und von dem man aus, wie versprochen weit ins Land sehen kann. Dieser hier ist aber nicht nur besonders dick, sondern auch ziemlich kurz geraten. Er sieht also fast so aus wie ich. 🙂

St. Kilian in Stedten

St. Kilian in Stedten

Müde und schwitzend setzen wir uns in den Schatten des Turmes auf eine Bank und warten auf den Schlüssel, den uns eine Frau aus dem Dorf bringen will. Die Rufnummer erfährt man übrigens auf einem kleinen Schild, welches in einem Fenster der Kirche hängt. Kurze Zeit später schließt uns die Frau auf. St Kilian war bis 2006 fast völlig verfallen und wurde danach aufwändig saniert. Über das Europäische Fördermittelprogramm LEADER zur Entwicklung des Lebens auf dem Lande wurden die Gelder dafür zur Verfügung gestellt, so steht es auf einer Infotafel in der Kirche.

sanierte Kirche St Kilian in Stedten

sanierte Kirche St Kilian in Stedten

Bei der sehr gelungenen Sanierung dachte man zum Glück daran, hier eine Pilgerunterkunft zu integrieren. Rechts und Links des Einganges gibt es deshalb moderne sanitäre Einrichtungen und eine kleine Küche. Zwischen diesem Bereich und dem eigentlichen Kirchenraum befindet sich eine Glastür. Auf der Empore gibt es zwei und im Glockenturm 6 Matratzen. Und aus den kleinen Fensterchen im Turm gibt es wirklich eine schöne Aussicht auf den Ort und die Umgebung, wenn auch nicht so spektakulär, wie ich es als Hobbyfotograf erhofft hatte.

Pilgerzimmer im Kirchturm

Pilgerzimmer im Kirchturm

Die Unterkunft ist sehr geräumig und sauber, was wir bei der Verabschiedung der Dame auch dankend  und anerkennend sagen. “Last den Schlüssel einfach stecken. Ich hole ihn mir dann morgen früh wieder ab.” Mit ihrem Hinweis, dass die Frau im Getränkestützpunkt um die Ecke sich um die Pilger kümmert und es bei ihr auch was zum Essen gibt, ist sie so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war. Nach der großen Wäsche und dem “Betten” machen, schauen wir dann mal ins Dorf, auf der Suche nach besagtem Getränkemarkt. Weit müssen wir nicht laufen. Der Ort ist wirklich nicht sonderlich groß. Im Garten steht eine “Blume”, die aus Hunderten von “Kümmerling” – Flaschen zusammen geklebt ist. Das muss er sein, der beschriebene Getränkemarkt. Doch da entdecke ich ein Schild: “ab 19 Uhr geöffnet.” Unverrichteter Dinge machen wir Kehrt und gehen zurück zur Kirche. Dort ist unterdessen unsere “fußlahme” Mitpilgerin eingetroffen. Sie hat sich verständlicher Weise viel Zeit gelassen und läuft heute schon wesentlich besser als gestern. Sie macht es sich auf der Empore bequem (hat wohl in der vorigen Nacht mitbekommen, dass ich ein wenig zum Schnarchen neige). Ein paar Worte zum Weg und schon ist es 19 Uhr und wir machen uns auf zum Abendessen – das heißt, wir hoffen welches zu bekommen.

Abendessen im Getränkemarkt

Abendessen im Getränkemarkt

Am Getränkemarkt kommt dann schon ein älterer Herr und ruft zu uns über den Gartenzaun: “Ihr seid doch die Pilger? (Man scheint es uns wirklich anzusehen. Oder liegt es vielleicht daran , dass sich sonst kein Fremder hier in diesen Ort verirren würde?) “Natürlich” sage ich. “Ihr wart doch vorhin schon mal da, weshalb seid ihr denn nicht rein gekommen?” “Na das Schild, die Öffnungsze….!” “Quatsch – Öffnungszeit, wenn wir da sind, könnt ihr auch rein kommen. Wir haben Würste auf dem Grill, esst ihr welche mit? Da hinten steht der Kühlschrank, hol dir mal ein Bier!” Na das lasse ich mir doch nicht zweimal sagen! So gefällt mir das, völlig unkompliziert, man glaubt sich auf einer Gartenparty bei Freunden zu befinden. Die Würste sind übrigens ausgezeichnet, Thüringer eben….

am Abend vor der Kirche

am Abend vor der Kirche

Am Abend sitzen wir dann noch mit unserer Pilgergefährtin auf der gemütlichen Bank vor der Kirche und quatschen über alles Mögliche. Und da erfahren wir auch, dass wir ab Morgen wieder allein sind, denn sie hört morgen auf und muss zurück nach Gera. Der Urlaub ist vorbei, morgen ist Pfingsten und da will sie wieder zu Hause sein. Also verabschieden wir uns schon jetzt, denn wir wollen wieder recht zeitig aufbrechen. Morgen geht es in die Landeshauptstadt nach Erfurt.

3 thoughts on “Via Regia 6. Tag 26.Mai 2012 Eckartsberga – Stedten

  1. Bin letztes Jahr (2018) den Weg gelaufen und die gute Frau die auch euch den Schlüssel gebracht hat sagte es wäre das letzte Jahr wo sie dieses Amt des Schlüsselwart inne hat. Dann könne sie es nicht mehr machen, Altersmäßig. Habe da einen Sonnenuntergang gehabt traumhaft. Toller Blick das muss ich schon sagen.

  2. Schön wenn es nun doch wieder geht, wäre traurig gewesen wenn so ein schönes Quartier zu gemacht hätte. Riesa hatte ja letztes Jahr schon geschlossen, der Betreiber war der Meinung ein Atelier draus machen zu müssen. Wäre schön sich mal zu unterhalten.

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